Posts Tagged ‘Bernburg

23
Mär
14

Kahlschlag

Rund um Bernburg steinzeitelt es nicht nur, sondern hier wird die Landschaft in einem Ausmaß „umgestaltet“, die kaum als schön zu bezeichnen ist. Südwestlich der Stadt wird in einem gewaltigen Kalksteinbruch Material abgebaut, der zum einen in die Betonherstellung geht, zum anderen für die Fabrikation von Soda verwendet wird. Besonders aus der Herstellung von Soda, Natriumbicarbonat, Wasserstoffperoxid und hochreiner Phosphorsäure bleiben große Mengen Kalkschlamm übrig, die in riesigen „Kalkteichen“ abgespült werden. Laut wikipedia fallen pro Tag etwa 2000 m³ Calciumchloridschlamm, welcher über das Rohrsystem nach Latdorf in die „Kalkteiche“ gepumpft wird. Die Feststoffe setzen sich am Boden ab, das Abwasser wird in die Saale geleitet. Aus den „Teichen“ resp. den Feststoffen entstehen nach und nach bis zu 30 m hohe Halden, die als Hügel die Landschaft nachhaltig verändern.Seit 1883 wird hier auf diese Weise produziert, so dass schon eine Menge dieser Halden angefallen sind, bislang hat sich keine andere Art der Abfallbeseitigung finden lassen.

Einspülung des Schlamms

Einspülung des Schlamms

Nur sehr zögerlich besiedeln Pflanzen die Oberflächen, mehr als eine Art Trockenrasenvegetation kommt dabei nicht heraus, kurioserweise gedeihen hier Orchideen.

 

Aber auch der Wasserhaushalt in der Region wird beeinflusst, ein Dammbruch eines dieser Sedimentationsbecken 2007 überflutete die zwischen zwei Becken durchführende Landesstraße mit mehr als 250000 m² Schlamm. Glück im Unglück: es geschah an einem Samstag abend gegen 23 Uhr, die Straße wurde nicht befahren.

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21
Mär
14

Steinzeitlandschaft

In der zurück liegenden Woche war ja bestes Wetter in Mitteldeutschland, frühlingshafte Temperaturen, blauer Himmel in Halle. Zeit für eine elegische Landpartie.

Das Ziel lag nur eine Stündchen nördlich von Halle: Bernburgs Umgebung. Eigentlich war es fast eine Zeitreise, ganz weit zurück in die Steinzeit, genauer gesagt in die Jungsteinzeit. Neolithikum. Viel ist allerdings von der Steinzeitlandschaft nicht mehr zu sehen, lediglich die eindrucksvollen Reste mächtiger Grabhügel mit Resten von Großsteingräbern, die in der Gegend um Bernburg ihre eine Exklave haben. Eigentlich erwartet man so weit südlich keine Megalithgräber mehr, ja, Norddeutschland, na gut, auch noch in der Altmark, aber hier? Dennoch sind sie da, keiner weiß, wieso die Erbauer nicht wie die neolithischen Nachbarn etwas zurückhaltender bestatteten. Aber gerade deshalt ist die Gegend um Bernburg schon um 1900 das Ziel neugieriger Altertumsforscher gewesen, die sich den mächtigen Grabkammern mit Spaten und Schaufel näherten und diese nach damals neuesten Erkenntnissen ausgruben. Die Zeichnungen und Beschreibungen, die sie damals anfertigten, sind auch heute noch als Dokumentationen erhalten und liegen im Archiv des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen-Anhalts. Und die damaligen Ausgräber erkannten besondere Formen und Verzierungen an den Funden und gaben ihnen einen Namen: „Bernburger Kultur“, in Fachkreisen auch heute noch unter diesem Namen bekannt.

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Angefangen haben wir mit dem „Pfingstberg“, ein künstlich aufgeschütteter Hügel, auf dessen Gipfel eine knapp 2 m hohe Steinstele steht. Der Hügel ist inzwischen mit Bäumen und Buschwerk bewachsen, so dass der Menhir nur dem sichtbar wird, der sich durch die Vegetation schlägt. Weiter untersucht ist der Hügel bislang nicht, man geht davon aus, dass der Menhir zum Gedenken an die Ahnen aufgestellt wurde, möglicherweise wurden hier auch Opfer dargebracht. In der lokalen Überlieferung heisst er auch „Schwedenstein“, was sicherlich damit zu erklären ist, dass der Hügel Teil eines riesigen Befestigung aus dem Dreißigjährigen Krieg war, die hier im Herbst 1644 innerhalb von wenigen Wochen von tausenden Soldaten der schwedischen Armee angelegt wurde. Nur ein Teil war auch von der Zeltstadt der einfachen Soldaten bedeckt, der Rest diente dazu, das Lager der gegenerischen kaiserlichen Armee und die Stadt Bernburg mit schwerer Artillerie beschießen zu können.

Heute ist alles ruhig, nur die kleine Landstraße nach Latdorf führt in ein paar Metern Entfernung vorbei. Die Landschaft ist leider durch die Kalkhalden tiefgreifend verändert, so dass der Blick nach Norden und Westen verstellt ist.

Der nächste neolithische Halt war die „steinerne Hütte“, dieses Mal ein eindrucksvolles Megalithgrab inmitten einer alten Feldgrenze, die mit blühenden Weißdorf bestanden ist. Natürlich ist die Frage nach Henne und Ei überflüssig: das Megalithgrab ist sicher die Henne, die Gemarkunsgrenze das Ei.Bereits im Zusammenhang mit dem oben erwähnten Lagerbau im Dreißigjährigen Krieg wurde der zugehörige Hügel abgetragen, im Jahr 1918 zerstörten unsachgemäße Ausgrabungen die Reste der Grabkammer. Erst 1958 wurden die Steine wieder aufgerichtet, die Anlage rekonstruiert. Acht Meter lang ist sie, etwa zwei Meter breit und aus imposanten Sandsteinplatten bestehend, zwischen 4100 und 2700 v. Chr. wurde es über viele Generationen genutzt, wie die wenigen Funde bei der Nachgrabung 1958 zeigten. Heute wird der Platz als Picknickplatz genutzt, wie die Tüten mit den Logos einer großen Fastfoodkette zeigen, ein paar Meter entfernt werden offensichtlich auch Lagerfeuer abgehalten.

Weiter ging es den Feldweg entlang, nur ein paar hundert Meter weiter südlich liegt das „Spitze Hoch“, wiederum ein gewaltiger Grabhügel, der über der flachen Landschaft aufragt. 31 m lang und sechs Meter hoch ragt der Hügel über der offenen Landschaft auf. Genutzt wurde er, so die Ergebnisse der Ausgrabungen, seit etwa 3950 v. Chr. bis 2200 v. Chr. und dann mit einer Unterbrechung noch einmal in der jüngeren Bronzezeit um 1300 – 800 v. Chr. Forschungsgeschichtlich gehört er ebenfalls zu den wichtigsten Denkmalen Mitteldeutschlands, lässt uns die Tafel wissen, bereits in 1880er Jahren wurde er untersucht, sogar Textilreste konnten sichergestellt werden.

Der letzte Punkt an dieser Steinzeitreise war der „Bierberg“, ganz im Norden der Megalithgruppe, bedauerlicherweise hatten wir keine Zeit, die restlichen fünf zu besuchen. Die heutige Landesstraße L 64 schrammt ganz knapp daran vorbei, ein Teil des zugehörigen Hügel wurde beim Bau auch abgetragen. Aufgrund der Bauart als Ganggrab wird er ebenfalls der Bernburger Kultur zugeordnet, bedauerlicherweise ist auch diese Kammer irgendwann ausgeplündert worden. Eindrucksvolle 7 m lang, etwa 3 m breit und ursprünglich etwa 2 m hoch war dieser aus Sandsteinplatten gesetzte Anlage, nach Westen setzt ein kleiner Gang an. Von weitem sieht er mit den noch kahlen Robinien ein bisschen nach einem Bild von Caspar David Friedrich aus.

Die Steinzeitlandschaft rund um Bernburg und Latdorf lohnt einen Besuch auf alle Fälle, das, was an Funden noch erhalten ist, ist im Museum in Bernburg anzuschauen, bedauerlicherweise befindet sich die Sammlung in einem auch vom Museumsleiter als bedauerlich bezeichneten „Zwischenstadium“. Seit Jahren wird die große Schlossanlange renoviert, das Museum sollte längst in die fertigen Räume umgezogen sein, allerdings stockt der Bau. So sind die Funde zwar teilweise ausgestellt, Beschriftungen und Einordnungen fehlen leider.




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