Erwachsene denken ja, dass Kinder es immer toll finden, wenn sie sich mit ihnen beschäftigen. Nein, tun sie nicht. Zumindest ich tat es als Kind nicht, besonders, wenn ich fette Beute in einem mir noch unbekannten Bücherregal gemacht hatte und einfach nur lesen wollte.
Zum „lesen wollen“ habe ich auch ein quasi traumatisches Erlebnis: einfach so, zumindest in meiner Erinnerung, fauchte mich meine Mutter an, als sie mich mal wieder lesenderweise erwischt: „Da hat mir neulich eine Mutter gesagt, dass ihr Kind ja gerne mit dir spielen würde, aber du würdest dir immer nur was zu lesen nehmen und dich verkriechen.“ Trotz jahrelangen Nachfragens gelang es mir nie, diese impertinente Klassenkameradenmutter ausfindig zu machen. Ich kann bis heute nur vermuten, dass der Inhalt des Bücherregals sehr viel spannender war als das, was mir das Spielen mit dem unbekannten anderen Kind zu bieten hatte.
Zurück zu „nicht lustig“: beim Stöbern in der Bilderkiste habe ich ein paar Bilder gefunden, auf denen mein Missvergnügen mal mehr, mal weniger deutlich erkennbar ist.
Ich fürchte, dass sich irgendeiner der erwachsenen Gäste ebenso wie wir beiden bei der Feier zum 80. Geburtstag unserer Oma im feinen Restaurant gelangweilt hat und auf die famose Idee mit den Serviettenhüten kam. Danke.. Soweit ich mich erinnere, habe ich kurz danach angefangen, dieses „Augenbrauen-hochziehen, aber nur die linke“ zu üben. Inzwischen kann ich’s perfekt!
Dann gibt’s da noch ein weiteres Bild, ein paar Jahre älter. Meine Oma hatte mich während meiner Herbstferien auf Reisen mitgenommen, zu ihrer ältesten Tochter und meiner Tante nach Bonn-Beuel. Das Regal mit den „Nesthäkchen“-Büchern zu entdecken und sich in den Büchern zu vergraben, war eine Kleinigkeit. Man hätte sich während der Woche auch nicht weiter um mich kümmern müssen, ich wäre gut beschäftigt gewesen, diese in Gänze zu lesen (bin ich bis heute nicht dazu gekommen!). Aber nein! Wir mussten spazieren gehen. Oma warf sich in den Persianermantel samt passender Kappe, ich durfte das braune Cordmäntelchen, was ich sowieso von irgenwem auftragen musste, anlegen, die schon etwas kurzen Schlaghosen, die Häkelmütze und die bunten Schuhe. Mir war schon im Alter von ca. 8 Jahren klar, dass das in dieser Kombination schrecklich aussah. Aber ich war ja ein höfliches Kind, ich ging mit, wenn ich auch im Stillen meckerte.
Man sieht selbst auf diesem griseligen, von Vatern selbst gemachten Abzug, dass das Lächeln nicht echt ist. Schließlich hielt mich meine Oma auch mit festem Griff gepackt, nicht, dass ich noch „ausbüxte“. Ich hätte höchstens in der nächsten Stadtbücherei um Asyl gebeten…
Und dann die Reise mit der Schwester meiner Mutter in die Zillertaler Alpen. Herrschaft! Ich wollte nicht (würde ich bis heute nicht wollen) in diese Gegend der Welt. Aber ich musste! Jede Nichte musste mal mit… An sich ja eine liebe Idee, aber ich war definitiv die falsche dafür. Aber auch das war noch in Zeiten, als Kinder und Jugendliche kein Stimmrecht hatten.
Puh, da sieht man aber, dass ich keine Lust hatte! Irgendwo tief unten im Tal lag die Pension mit dem Bücherregal voller Krimis und „romatischen Thriller“, wo ich die beiden Wochen gut hätte verbringen können. Seitdem habe ich ein ausgeprägt schlechtes Verhältnis zu Tirol, Bergen und Nadelbäumen. Meinen Frieden mit Österreich habe ich erst gegen Ende des letzten Jahrhunderts gemacht, als ich erstmals in Krems an der Donau feststellen musste, dass es auch nette Ecken und guten Wein in Österreich gibt.
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