Derzeit läuft im Ephraimpalais, der Dependance des Stadtmuseums eine Ausstellung über die planmäßige Plünderung des jüdischen Eigentums in der Stadt. Die Ausstellungsmacher haben sich auf die historischen Stadtkerne von Alt-Berlin und Alt-Cölln beschränkt, da bereits in diesem Bereich die Recherche unglaublich umfangreich war. So wurden die Berliner Adressbücher ausgewertet sowie eine schier unglaubliche Anzahl von Grundbucheinträgen.
Der Besucher wird im ersten Raum, einem der aufwändigsten Salons des barocken Palais(nachbaus) mit der Geschichte der Juden in der Mark Brandenburgs und natürlich Berlins empfangen. Bereits die Ersterwähnung zeugt von nicht spannungsfreiem Miteinander: 1295 wird den Wollwebern verboten, ihre Rohstoffe bei den jüdischen Händlern zu kaufen. Mit der Pestpandemie um die Mitte des 14. Jahrhunderts kommt neues Unheil über die jüdische Gemeinde, denn sie werden verdächtigt, die Krankheit durch vergiftetes Brunnenwasser verbreitet zu haben. Erste Enteignungen, erst Jahre später dürfen sie wiederkommen, ihre einstigen Häuser dürfen sie mieten, Grundeigentum bleibt ihnen verwehrt. Der nächste Tiefschlag trifft die Juden 1510: nach einem Diebstahl liturgischer Gefäße in einem Dorf außerhalb Berlins werden sie beschuldigt, die darin enthaltenen Hostien geschändet zu haben und zudem auch noch (christliche) Kinder ermordet zu haben. Ermordet werden nur sie: 39 Männer werden auf dem Platz an der Marienkirche verbrannt, ihre Angehörigen des Landes verwiesen. Münzfälschungen und Vergiftung des Kurfürsten 1572 werden ebenfalls als Vorwand für Vertreibung und Plünderung des fremden Besitzes genommen. Erst die Aufklärung des 18. Jahrhunderts auf beiden Seiten, der christlichen und jüdischen, bringt erste Annäherungen mit sich, die aber erst nach dem 1. Weltkrieg in einer rechtlichen Gleichstellung abgeschlossen ist.
Ein Hauptstilmittel der Ausstellung sind die weißen Schreibtische, die in allen folgenden Räumen in unterschiedlichen Formationen erscheinen. Ansonsten sind die Wände mit flächendeckenden Plots historischer Fotos, die die Inhalte illustrieren, abgehängt. Ich bin immer wieder fasziniert, in welcher Qualität sich die Schwarzweißbilder „hochpusten“ lassen. Schade nur, dass die Bahnen nicht in allen Fällen verschweißt und an der unteren Kante zum Straffhalten beschwert waren, so wird der gestrenge Besucher einen kleinen Punktabzug in der B-Note geben, aber das nur am Rande.
Die Ausstellung nimmt den Besucher nun auf die Jahre nach 1933 mit: in einer Schriftbanderole lassen sich die allmählichen Einschränkungen ablesen. Im Hauptteil des Ausstellungsbereiches werden die Schicksale von einzelnen jüdischen Familie gezeigt. Gegenübergestellt sind drei Lebenläufe der Täterseite, die als Schreibtischtäter nach dem 2. Weltkrieg meist unbehelligt blieben.
Die Schicksale der Enteigneten gingen mir als Besucher einmal mehr „an die Nieren“: nicht nur Ermordung in einem KZ stand viel zu oft am Ende eines Lebenslaufes, sondern auch Selbstmord, Depressionen und viel zu selten auch erfolgreiche Flucht, bei der sich die Nazibehörden ein letztes Mal bereicherten.
Am Ende stehen Kriegszerstörung und Wiederaufbau, aber auch die Fragen zur Entschädigung des geraubten Eigentums. Besonders bitter erscheinen die auch im Begleitband aufgeführten Beispiele, wie bis heute nur in wenigen Fällen eine für die einstigen Besitzer und deren Angehörigen akzeptable finanzielle Entschädigung gezahlt wurde. Beschämend.
Bestürzend zu sehen, wie viele Grundstücke allein in Mitte seit 1933 ihren einstigen Besitzern von den Machthabern auf die eine oder andere unredliche Art genommen wurden, durch die leisen und unsichtbaren Schreibtischtäter. Und hinter jedem der rot auf einem großen Fotoplot hervorgehobenen Grundstücke und Häuser oder in der Datenbank in der Medienstation stehen Schicksale, echte Menschen, die in der Mehrzahl die zwölf Jahre des mörderischen Regimes nicht überlebten.
Webinfo: Stadtmuseum Ephraimpalais
Öffnungszeiten: Di, Do–So 10–18 Uhr | Mi 12–20 Uhr
Eintrittspreise: 7,00 / erm. 5,00 Euro; Begleitbändchen ist im Preis enthalten
jeden 1. Mittwoch im Monat Eintritt frei, dann Katalog 3,00 Euro
Adresse: Poststraße 16, 10178 Berlin (Mitte)
Kommentare