Aus den Tiefen meines Blogs habe ich den Artikel vom 9.Oktober 2010 zu Richenza von Northeim, deutsche Königin und Kaiserin wieder hervorgeholt. Ich habe während einer Tagung in der vorletzten Woche 2010 die Anthropologin kennen gelernt, die während der Ausgrabungen 1978 die sterblichen Überreste der Kaiserin anthropologisch untersucht hat. Keine Frage, dass ich viele Fragen hatte, die der Kurzbeitrag des damaligen Ausgräbers in einer Publikation von 1985 nicht beantwortet hat. Er wird auch nicht mehr viel beantworten können, denn er ist inzwischen nicht mehr in der Lage, die Auswertung zu beenden. Das kommt davon, wenn die Ausgräber viel zu lange wichtige Befunde unbearbeitet „für später“ liegen lassen. Aber das ist ein anderes Thema, zurück zu Richenza:
Ihr letzter Wille war es, neben ihrem vier Jahre zuvor verstorbenen Mann beigesetzt zu werden. An sich ist es kein besonders ungewöhnlicher Wunsch einer hinterbliebenen Witwe. Nur der Ort, den sie damit meinte, hebt sich doch deutlich von einem normalen Gemeindefriedhof ab. Richenza war ja auch keine beliebige Bauersfrau, als sie 1141 im Alter von etwa Mitte fünfzig Jahren starb, sie war bis 1137 Kaiserin des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation an der Seite von Kaiser Lothar III.
von Süpplingenburg gewesen. Die einzige Tochter Gertrud war mit Heinrich dem Stolzen von Bayern verheiratet, aus dem mächtigen Haus der Welfen. Auch er war vor der Zeit 1139 verstorben und ruhte bereits neben dem Schwiegervater in seinem Kalksteinsarkophag.
Richenza konnte sich auch als Witwe nicht aus dem öffentlichen Leben zurückziehen, wie es eigentlich für eine Frau gesetzten Alters im 12. Jahrhundert üblich gewesen wäre, zuviel stand noch für den Fortgang der Familie auf dem Spiel. Der Enkel, ebenfalls ein Heinrich, der später den Beinamen “der Löwe” erhalten sollte, musste das Erbe der sächsischen und bayerischen Herzogtümer gesichert werden und somit auch ein vages Anrecht auf die Königs- und folgerichtig auch auf die Kaiserwürde, um die zwischen Saliern, Staufern und Ottonen, den mächtigen Adelsfamilien gerungen wurde.
Nur wenige Jahre vorher hatten Lothar und Richenza das ehrgeizige Bauprojekt der Kirche in Königslutter als Grabkirche begonnen, die 1137, beim Tode Lothars noch lange nicht vollendet war. So waren damals nur die Ostteile der Kirche fertiggestellt, die Pfeiler des Langhauses noch gar nicht errichtet, das Kirchendach fehlte auch noch. Der Platz der Gräber war festgelegt: sie sollten vor dem Hauptaltar der Kirche liegen, so dass die dort Bestatteten an einem der prominentesten Ort innerhalb des Bauwerkes ihre letzte Ruhestätte finden sollten. Daher wurde zum Schutz der ersten Bestattungen ein hölzernes Totenhaus errichtet.
Der Ostteil der Kirche, der Chorbereich, sollte nach den burgundischen Vorbildern von Cluny einen reichen architektonischen Schmuck tragen, der auch den Vorstellungen des kaiserlichen Stifterpaars entsprach. Besonders gut erhalten haben sich die wunderbaren Jagdfriese außen an der Chorapsis.
Diese ursprüngliche Konzeption wurde auch bis etwa 1150 baulich umgesetzt, danach allerdings wurde ein radikaler Stilwechsel im Bereich des Langhauses durchgesetzt, die Rückkehr zu zurückhaltender regionaler Formensprache.
Im 13. Jahrhundert wurden die Gräber auch oberirdisch markiert: ein flaches Grabmal mit drei liegenden Figuren, die Heinrich den Stolzen, Lothar III. und Richenza darstellen sollten, wurde direkt über den drei Steinsarkophagen errichtet. Das Grab des Kaisers wurde bereits 1620 das erste Mal geöffnet und Insignien seiner Macht entnommen, das waren sein persönliches Schwert, eine Inschriftentafel und ein Reichsapfel aus Blei, ein Kelch und eine Hostienschale aus Silber und vermutlich auch die bleierne Grabkrone. Das kaiserliche Skelett, wenn auch ordentlich durcheinander gebracht, verblieb im Grab. 1978 wurde das Grab erneut geöffnet, dieses mal im Rahmen einer archäologischen Untersuchung. Dabei wurden noch ein Blei-Zepter, sowie zwei Fingerringe aus Gold und Silber und ein Paar Sporen nachgewiesen, aber auch hochinteressante Details zur Behandlung des Leichnams des Kaisers, der auf der Rückkehr von einem Italien-Feldzug in Tirol verstarb. Ob dieser wirklich bis auf die Knochen abgekocht wurde, erscheint nach heutiger Ansicht weiter unklar, es ist allerdings auf seinen Knochen eine Art Balsamierung nachgewiesen, die auch Myrrhe enthielt.
Bei den Beigaben aus Blei handelt es um ganz spezielle Anfertigungen für die Grablege, die als Zeichen zur Bußbereitschaft gedeutet werden, gleichzeitig aber den Rang der Bestatteten berücksichtigen.
Und in jenem Jahr 1978 sollten dann auch die Gräber von Heinrich und Richenza geöffnet und untersucht werden. Richenzas Grab enthielt außer ihren eher schlecht erhaltenen sterblichen Überresten eine Grabkrone aus Blei und Reste eines Blumenstraußes. Die Anthropologin erzählte mir auf Nachfragen, was es zur echten Richenza, der Kaiserin noch so berichten gab. Die Herrscherin selber könnte an Krebs gestorben sein, eine Wucherung am Brustbein deutet darauf hin. Der Blumenstrauß, den die in reiche Gewänder gekleidete Tote in ihrem Grab hatte, scheint ein Sträußchen Salbei gewesen zu sein.
Als ich vor ein paar Jahren, an einem kühlen Frühlingstag, den so genannten „Kaiserdom“ zu Königslutter besichtigt habe, war ich sicherlich eine der wenigen, die an Richenza gedacht haben. Ich habe ihr auch einen kleinen, auf der vorangegangenen Wanderung gepflückten Blumenstrauß mitgebracht, ein paar verblühende Vergissmeinnicht für die stolze Northeimerin, meine Richenza, waren auch dabei. Das nächste Mal bringe ich Salbei mit, es gibt ihn in so schönen Purpurfarben. Und das passt zu ja genau zu ihr.
Bildquelle: H. Rötting, Die Grablegung Kaiser Lothars III. am 31. Dezember 1137. In: K. Wilhelmi, Ausgrabungen in Niedersachsen, Archäologische Denkmalpflege 1979 – 1984 (Stuttgart: Theiss 1985), 287 – 293, Abb. S. 292.
Die Beiträge eines Kolloquiums zu Königslutter von 2007 harren weiter der Veröffentlichung sind seit 2012 veröffentlicht (s. Kommentare).
Hier das vollständige Zitat: T. Henkel (Hrsg.), „Nicht Ruh‘ im Grabe ließ man euch…“ – Die letzte Heimat Kaiser Lothars III. im Spiegel naturwissenschaftlicher und historischer Forschungen. Schriftenreihe der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz (Braunschweig 2012).
ISBN 978-3-941737-81-5
Wer Richenza besuchen mag:
„Kaiserdom“; Vor dem Kaiserdom 1, 38154 Königslutter
Öffnungszeiten: 09.00 – 18.00 Uhr (April – Oktober), 09.00 – 17.00 Uhr (November – März)
Die Kosten betragen 2,50 € pro Person (bis 15 Jahre frei)
Öffentliche Domführungen:
Jeden Samstag 10 Uhr und Sonntag sowie Feiertag 14 Uhr finden öffentliche Domführungen statt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Dauer: ca. 1 Stunde Kosten: 2,50 € pro Person (bis 15 Jahre frei)
weitere Informationen: touristinformation@koenigslutter.de
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