Im Meer gibt es viele Fische: für mich als Landratte eine echte Binsenweisheit. Und nur die wenigsten kenne ich überhaupt, auch wenn es bei den Speisefischen inzwischen etwas besser aussieht. Als Kind in Ostwestfalen lernte ich zunächst den guten alten „Blockfisch“ kennen, besser als „Fischstäbchen“ bekannt. Als meine Mutter sich nicht mehr so sehr sorgte, dass wir unverzüglich an einer Gräte ersticken würden, bereitete sie auch Rot- und Goldbarsch, selten Kabeljau zu, die sie im örtlichen Fischgeschäft am Freitag erstand. Mein Vater weigerte sich schlichtweg, Fisch zu essen, denn er machte geltend, dass man ihn als Kind des Freitags zum Fischessen gezwungen und er sich einmal fürchterlich dabei vergiftet habe. Ja, Papa, schon klar! Auch meine Oma, in deren Haus wir damals wohnten, wollte partout keinen Fisch essen. Was für ein Dilemma, denn das „nicht-essen-wollen“ umschloss auch weitere Wahrnehmungen des Fischgerichtes: „nicht-sehen-wollen-des-Einkaufs“ und „nicht-riechen-wollen-der-Zubereitung“. Somit wurde meine Mutter und der Fisch in den Keller verbannt, dort bereitete erstere letzteren auf einem Zweiplattenherd zu und brachte das fertige Fischgericht, in der Regel, mehlierte Fischfilets mit Resten von Gräten, die meine Mutter und der Fischhändler einig übersehen hatten, als Tellerportion in das 1. Obergeschoss, wo wir wohnten, vorbei an den Wohnräumen ihrer Schwiegermutter. So richtig schätzen lernten meine Schwester und ich Fisch damals nicht, nur durch das wunderbare Kartoffelpüree, welches die regelhafte Beilage bildete, vermochten wir den meist etwas trockenen Stücken etwas abzugewinnen. Immerhin lernten wir den sicheren Umgang mit Fischbesteck.
Inzwischen traue ich mir das eigenhändige Zubereiten der vormaligen Wasserbewohner auch jenseits des Mehlierens und Trockenbratens zu. Vor Grätenlastigem auf dem Teller habe ich immer noch größten Respekt, eine umfassende Kenntnis aller Fischanatomien würde womöglich und unter Umständen Abhilfe schaffen. Daher habe ich mich bei meinem letzten Aufenthalt in und um Greifswald vor dem Verkosten der lokale Spezialität des Frühlings gedrückt: Hornfisch!
Der Hornfisch, hätte ich ihn gekostet, hätte mir deutlich gezeigt, wo er seine Gräten hat, denn diese sollen kräftig grün sein. Im Greifswalder Bodden laichen diese bis zu einem Meter langen Fische in Landnähe und werden dort im Mai während einer etwa drei Wochen dauernden Zeit gefischt. In großem Umfang befischt man die Hornhechte (Belone belone) heutzutage nicht mehr, vermutlich zu ihrem Glück.
Die grüne Farbe ihrer Gräten soll durch die Reaktion von Eisen und Phosphat zu Vivianit entstehen, so genau habe ich das auch nach eifrigem Studium der entsprechenden Wikipedia-Artikel nicht verstanden.
Und da mir die Bedienung in einem der Fischrestaurants in Wieck, dem ehemaligen Fischerhafen vor den Toren Greifswalds, auch nicht so richtig viel zu Zubereitungsart und Geschmack der Spezialität berichten konnte, landete dann doch Dorsch auf meinem Teller. Natürlich ärgere ich mich nun über meinen fehlenden Mut, aber der Hunger nach dem Lustwandeln durch Greifswald war einfach zu groß.

Der Hornfischer hat schon Feierabend

Für den Fang des kommenden Tages aufnahmebereit
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