Noch immer sind wir im „schöner-erben“-Modus, meine Schwester und ich, noch immer ist nicht alles gesichtet, aber trotz mancherlei Ungemach finden sich immer wieder kleine Familienschätze, die für uns unbezahlbar sind. Hier ist wieder einer:
Unsere Oma Else hat uns ein posthumes Geschenk gemacht, sehr posthum, denn sie starb 1984. Aber sie war eine ordentliche Frau und hat in einer Schatulle einige Stapel an Papieren hinterlassen, die jetzt erst, als ihr jüngster Sohn, also unser Vater starb, an uns ging, an meine Schwester und mich.
Und zwischen diesen Papieren fand ich unsere kleine Weihnachtsgeschichte, die sich 1942 zutrug. Unser Großvater war in jener Zeit technischer Direktor einer kriegswichtigen Firma im Ostwestfälischen und somit auch in gewisser Weise eine Person des öffentlichen Lebens. Er selber hatte einen politischen Hintergrund, den man mit „aus der katholischen Arbeiterschaft stammend“ umschreiben kann und somit hat er sich nur auf Drängen den machthabenden Organisationen angeschlossen, offensichtlich erst immer, wenn es nicht mehr anders ging. Unsere Tanten erzählten uns davon, aber inzwischen können wir dieses auch in Papierform nachweisen. Hiermit gilt einmal der Dank an unseren Vater, dass er nichts weggeworfen hat!
Zurück zu unserer Oma Else: 1942 wurden auch bei ihrem Mann die Daumenschrauben einmal wieder angezogen, dass auch das letzte Familienmitglied in eine der braunen Organisationen eintreten sollte. Das war seine Frau, unsere Oma Else. Vier der fünf Kinder waren inzwischen bei den Jugendorganisationen eingefangen, nur sie war nirgendwo Mitglied. Das sollte sich ändern, befand man in der Stadt. Else bekam also Besuch von einer Frau Kaiser, die die Aufnahme und auch gleich das Erheben der Beitrittsgebühren besorgen sollte. Else wurde also gefragt, wie sie sich engagieren wolle, wollte Else aber nicht, sondern sie gab an, nur zahlendes Mitglied sein zu wollen. Dieses wurde natürlich weitergegeben. Schön, dass unsere Oma Jahre später eine Art Aktennotiz zu der ganzen Sache schrieb.
Kurz vor Weihnachten 1942 bekam sie dann einen Brief, dass ihr Antrag abschlägig beschieden sei, sie würde nicht Mitglied in der NS-Frauenschaft werden.
Auf der Rückseite des Briefumschlages ging man offensichtlich zur Tagesordnung über: die Abrechnung vom Einkauf! Die Weihnachtsgans schlug mit 23 Mark zu Buche, Wurst, Speck, Leberwurst und Brot, summa summarum 30,10 Mark.

Von den Kommentierenden gab es einen berechtigten Einwand, nämlich den Hinweis auf die Lebensmittelkarten, die 1942 natürlich in Gebrauch waren und dem Preis. Nicht nur Fleischwaren waren rationiert.
Die Schrift auf der Briefrückseite ist nicht von meiner Oma, ich werde recherchieren!
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