Manchmal denke ich gerne an Orte zurück, an denen ich mich einmal wohl fühlte. Ach, das waren noch Zeiten, als ich über den Hof die Tage zählen konnte, an denen Hemden unverändert an einem offenen Fenster flatterten. Nun wohne ich in einem anderen Bezirk und komme nur noch selten zu „meinem“ alten Haus. Es besteht ja auch kein Grund mehr: meine Nachbarn sind in alle Winde zerstreut, Flieder, Holunder und Heidis Garten sind verschwunden, der Hof ist komplett von Baukran und -material belegt.
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Was übrig vom Hof übrig blieb I
Bild an der Hauswand
Gestern beim Schlendern durch den alten Kiez gesehen:
Man muss halt wissen, was man will… schon klar!
Abschied vom Hof
Der Umzug ist vollbracht, der Abschiedsschmerz verblasst langsam angesichts der neuen Umgebung und einer vorsichtigen Vorfreude, diese zu entdecken. Dennoch: Ich werde das Fenster zum Hof vermissen, dieser Hof, der sich zwischen zwei Häuser schmiegte und somit den Anrainern genügend Licht und Luft zum Atmen und auch zum Schauen gab. Niemand war nahe genug an des Nachbarn Fenstersims, um Gesichter oder echte Einzelheiten zu erkennen. Nun gut, der Rhythmus des Pärchens, welches offensichtlich dem lustvollen Beischlaf bei hellstem Zimmerleuchten nachging, war nicht fehlzudeuten, aber ich hätte sie wohl auf der Straße nicht eindeutig identifizieren können. Heidi, die Nachbarin mit dem grünen Überdaumen, die Hofgarten und Hausflur begrünte und mit den Ablegern von geschenkten Grünpflanzen bevölkerte, wird mir fehlen, ihr immer fröhlich hüpfendes Töchterlein ohne jedwede Scheu oder die im Gegensatz auch nach Jahren des Zusammenwohnens im Haus immer noch leicht scheuen Mädchen aus der Wohnung unter uns.
Es ist vorbei, tschüss, Simon-Dach-Straße!

Eiskaltes Fenster und heiße Tränen...
Mehrfach habe ich über das Ungemach, welches mir ins Haus steht berichtet. Nun wird es richtig ordentlich Zeit, dass es auch einmal wieder „Gemach“ gibt, so wie es lakritze mir schon wünschte. Und es gibt nun wirklich ein neues Gemach, wenn auch nicht mehr in Friedrichshain, sondern in Treptow, also außerhalb des Berliner S-Bahnringes.
Die Suche gestaltete sich nicht einfach, Massenbesichtigungen trotz Makler waren ebenso dabei wie Absagen, Vertröstungen („Sie rücken doch nach, wenn die anderen absagen“) und Frustrationen. Einmal hatten wir sogar vier Stunden lang eine Zusage für eine Wohnung, die uns eigentlich nicht besonders gefiel, die aber aus verschiedenen Gründen doch in Betracht gekommen wäre. Der Vermittler sagte mir am Telefon etwas davon, dass er nicht gewusst habe, dass ausgerechnet heute morgen der Mietvertrag anderweitig unterschrieben worden sei.
Irgendwann war dann uns das Glück doch noch hold. Die Wohnung war eine Weile im Angebot gewesen, aber durch die Lage offensichtlich nicht auf dem „Must have“-Radar der Wohnungssucher. Die Vergabe wurde durch einen Makler abgepuffert, auch Kosten, die man nicht eben mal so einfach haben möchte. Aber da mit dem derzeitigen Vermieter eine Art finanzieller Übereinkunft im Raum schwebte, wenn wir bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgezogen sein würden, haben wir den Termin mit der Maklerin vereinbart.
Die Wohnung ist wirklich schön, auch wenn sie zwei bis drei Minuspünktchen hat, die aber durch einige andere Pluspünktchen aufgewogen werden: Die Lage ist nicht mehr so zentral wie die der jetzigen Wohnung, dafür ist der Preis ähnlich dem jetzigen. Leider geht sie nach Osten und Norden hinaus (also nie mehr rote Pepperoni vom Balkon), dafür ist das Schlafzimmer zum ruhigen Innenhof. Leider passt die Waschmaschine nicht mehr ins Bad, dafür sind Bad und WC nun getrennt. Leider muss die Waschmaschine nun in die Küche, dafür wird sie mit Spülmaschine und einem Unterschrank zusammen mit einer Arbeitsplatte überbaut und so habe ich mehr Arbeitsplatz, denn die Anrichte muss in die Kammer auswandern. Dafür kann ich mich von Überflüssigem in der Küche trennen. Ein Minus, welches wirklich nicht aufgewogen werden kann, hat die Wohnung doch: es gibt kein Gas mehr zum Kochen! Achja, Küche und Wohnzimer sind nun zwei durch einen Flur getrennte Räume, nix mehr mit großer offener Wohn-Ess-Küche!
Dank einem CAD-Programm konnte ich alle Möbel schon im Grundriss hin- und herschieben, es scheint alles zu passen. Zudem gibt es eine größere Kammer, in der die Anrichte aus der Küche, die Wäschekommode aus dem Bad und der Trockner nunmehr eine neue WG gründen können, unterstützt von IVAR aus dem Schwedenland.
Die Zeit hier in Friedrichshain neigt sich dem Ende zu, natürlich bin ich nicht glücklich über dieses von außen aufgezwungene Ungemach. Inzwischen waren die ersten Kaufinteressenten in der Wohnung, die für 321.000 € über den Tresen gehen soll. In einem Hochglanzprojekt wird mit schönen 3-D-Zeichnungen für den Einkauf geworben, am Haus hängt inzwischen auch ein großes Werbebanner.

aus der Werbebroschüre: Lage Lage Lage
Gestern bekamen wir noch einmal Besuch von dem Bauleiter, der hier die gesamte Umbaumaßnahmen in und ums Haus dirigiert. Er wollte eigentlich den Architekten oder den Statiker mitbringen, um sich noch einmal Details für das Aufsetzen des Dauchausbaus anzusehen, kam dann aber doch alleine. Nachdem er noch einmal Fotos vom Dielenboden in den Zimmern gemacht, den Balkon und das Bad aufgenommen hatte, begann, uns von den neuesten Planungen zu erzählen: noch ist nicht ganz klar, ob das Bad an der jetzigen Stelle bleibt, denn der Hauptwasserstrang läuft ja da entlang, wo die Schlauchbäder der Wohnungen unter uns liegen. Nun, da steht bei uns die Küchenzeile, denn das einstmals dort vorhandene typisch Berliner Dunkelkammer-Bad wurde durch die Wegnahme der Wände des Ex-Bades und des Ex-Flures zugunsten einer großzügigen Küche-Wohnzimmer-Lösung von fast 40 qm verlegt. Nun überlegt man also, ob es sinnvoller ist, das Bad zurückzuverlegen bzw. in das dahinterliegende Zimmer, derzeit Schlafzimmer, zu verlegen. Nachteil: dieses Zimmer ist deutlich größer als das Bad-Zimmer, man müsste den Boden zugunsten eines Fliesenboden vollständig umbauen. Die zweite Lösung sei, das etwa 10 Jahre alte Bad komplett umzubauen: Wanne auf die andere Raumseite, Toilette und Waschbecken dito, denn dann würde man ein paar Meter Wasserleitung sparen.
Zudem sollen offensichtlich alle Holzdielen aufgenommen werden, um zu schauen, wie die Substanz darunter ist. Wobei meiner Meinung nach „aufnehmen“ gleichbedeutend mit „sollen raus“ ist. Die Dielen sind genagelt und wenn man die tief eingeschlagenen Nägel einmal draußen hat, wird die Diele das auch nicht unbeschadet überstehen.
Kommen wir zur Decke: die soll wohl auch raus und neu gemacht werden, weil für das neue Dachgeschoss noch Eisenträger eingezogen werden sollen. Wir merken jetzt schon, dass die Dielung oben fehlt, denn es wird inzwischen noch schneller kalt.
Der Balkon bekommt einen neuen Estrich, die Abwasserrinne muss auch neu gemacht werden, aber alles nicht so tragisch.
Nach dieser langen Aufzählung fragte ich den Bauleiter, ganz ohne Ironie, ob es nicht preisgünstiger sei, das Haus vollständig neu zu bauen, denn der Charme des Altbaus ist nach diesen Umbaumaßnahmen vollständig dahin. Er antwortete dann auch, dass diese Maßnahmen insgesamt teuerer als der Neubau des Hinterhauses würden, allerdings der Abriss kurz eine echte Option war, von der man dann aber doch aus Zeit- und Kostengründen abgesehen habe.
Armes altes Haus, dir steht eine Menge Ungemach ins Haus und wir ziehen auch noch aus, wo wir dich doch echt gemocht haben!
Ungemacht steht ins Haus 7
Es ist hier irgendwie schon komisch: die Bauarbeiten hier im Haus haben noch nicht angefangen, da tut sich Getrappel am Samstag mittag im Treppenhaus. Zieht noch jemand aus? Nein, wir sind inzwischen die einzige verbliebene Partei hier auf der Etage, hier kann niemand (außer uns natürlich) mehr ausziehen. Einst wohnten hier 21 Parteien, auf Vorderhaus und Seitenflügel verteilt, nun sind wir nur noch sechs, Tendenz schwindend. Nein, das Getrappel gehört zu den Kaufinteressenten, die hier eine Wohnung erstehen möchten. Es ist noch nichts passiert, es wird also eine Option auf die Zukunft verkauft, wobei sich die Interessenten nur auf hübsche Computerbilder in des Verkäufers Mappe verlassen müssen.
Es fühlt sich komisch an, hier im Haus, denn das Ungemach ist inzwischen ins Haus eingezogen, unsichtbar und bedrückend.
Ungemach steht ins Haus 6
Die Dinge entwickeln sich: auch im Nachbarhaus steht Ungemach ins Haus, viele ehemalige Mieter haben aber vor den anrückenden Bautrupps die Segel gestrichen und sind weggezogen. Auch unser Haus leert sich, heute ist unsere Nachbarin in der mittleren Wohnung ausgezogen, gegenüber die Wohnung steht seit drei Wochen leer.
Gestern bekamen wir einen kleinen Vorgeschmack auf die Arbeiten, es wird entrümpelt, Öfen herausgerissen und in Teilen aus dem Fenster geworfen. Bisweilen aus dem 4. Stock hinein in die weiche Erde des gerodeten Gartens. Ob der Kollegga gerade unten lang geht, wen stört’s? Die drei bis vier Arbeiter scheinen von ausgesuchter Qualifikation zu sein, wenn man so ein paar Minuten zuschaut, wie mit einer Billigaxt aus dem Baumarkt auf frisch gerodetes Holz eingeschlagen wird, welches in seiner Elastizität fröhlich und gummiartig zurück schlägt. Die „112“ hatte ich schon vorgewählt, da der eine Herr sich in der kurzen Zeit, die ich aus dem Fenster zuschaute, mehrfach nur um Haaresbreite selbst das Bein zerschlagen hätte. Sicherheitsschuhe, Arbeitskleidung oder gar Beachtung von Sicherheit auf der Baustelle suchte frau vergebens zu erspähen.

Grau und kahl kommt der Innenhof daher, Spuren der Verwüstung..

Aus einem zurück gelassenen Fahrrad gebaut: der Flaschenzug

Spuren auf der Fensterbank...
Letzte Ernte
Der Balkon wird winterfest gemacht, die Einjährigen entsorgt und mit leiser Wehmut daran gedacht, dass es wohl ein letztes Mal war, dass unsere „grüne Hölle“ diesen Balkon begrünt hat.
Die Pepperoniplantage hat noch fleissig geblüht, die letzten grünen Schötchen wurden dennoch heute geerntet.

Letzte Ernte
Ungemach steht ins Haus 5
Interessanterweise lag in unserem Briefkasten ein Umschlag mit einem Erhebungsbogen des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg. In der Papiersammelbox unterhalb der Briefkästen liegen bestimmt 10 dieser Umschläge, für die die Adressaten offenbar keine Verwendung hatten. Ich nehme unseren mit nach oben.
Im Begleitschreiben teilt uns unser Bürgermeister mit, dass in regelmäßigen Abständen der Milieuschutz um den Boxhagener Platz überprüft werden müsse. Somit bräuchte man eine Datenbasis, um die Voraussetzungen und die Wirkungsweise der Verordnung zu überprüfen. Man habe das Büruo ASUM beauftragt, diese Befragung durchzuführen. Diesem Schreiben liegt ein achtseitiger Fragebogen bei, den man doch bitte ausfüllen und im bezahlten Rückumschlag zurück senden solle.
Brav füllte ich den Bogen aus und steckte ihn in den Umschlag. Dann entdeckte ich, dass auf der Rückseite des Anschreibens des Bürgermeisters noch eines der beauftragten ASUM zu lesen ist, mit Angabe einer Telefonnummer samt Ansprechpartnerin. Ich griff nach dem Telefon und wählte die Nummer. Als ich meine Fragen stellte, wurde ich rasch weiter vermittelt und hatte ein längeres Gespräch mit einer Kollegin, die im Laufe desselben zugeben musste, dass der Milieuschutz ein eher „stumpfes Schwert“ sei und dass man ihn wohl demnächst sowieso aufheben werde, weil man von politischer Seite sowieso keine Handhabe habe und die betroffenen Mieter sich selber mit Hilfe der Gerichte darum kümmern müssten, um erfolgreich zu sein. Immerhin, eine ehrliche Antwort! Ob ich die angebotene Rechtsberatung in Anspruch nehmen wolle? Muss ich mal überlegen, hilfreich erscheint sie mir zum jetzigen Zeitpunkt, wo die Messen offensichtlich gesungen sind, nicht mehr.
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