Posts Tagged ‘Berlin

03
Okt
20

Schweigen im Walde

…. im Walde….

Im März 2019 habe ich das letzte Mal hier geschrieben, aber mir oft vorgenommen, wieder aktiv zu werden. Nun, es ist einfach so viel in meinem analogen Leben passiert (habe ich, glaube ich, auch schon einmal geschrieben), dass ich es nicht geschafft habe, mit etwas Abstand davon hier zu berichten. Gut, da war der Tod meines Vaters und das schwierige Jahr, bis meine Schwester und ich den Nachlass einigermaßen unter Kontrolle hatten (2016/2017), berufliche Veränderungen, die ich mitunter auch als inhaltliche Rückschritte betrachtet habe (2017 – 2019) und dann seit 2019 gerade eine Explosion an Anforderungen im privaten und beruflichen Leben, die mit viel Aufwand und einem weiteren Umzug verbunden sind: eine Leitungsstelle in einer seit vielen Jahren vernachlässigten Einrichtung in Brandenburg an der Havel, die ich aus dem Koma treten möchte, gleichzeitig (wirklich auf den Tag!) ein Spenderorgan für meinen Mann, der die seit 10 Jahren andauernde Dialyse überflüssig macht, aber dennoch „nicht ohne“ ist und die für meine Schwester und mich überaus herausfordernde Pflege und Sorge um unsere inzwischen 92-jährige Tante. Wer das Blog hier kennt, weiß, dass ich in Berlin lebe und aus Höxter stamme, wo auch unsere Tante lebt. Und somit kommen viele, viele Kilometer zusammen, um sich dieser Herausforderung auch noch zu stellen.
Bislang habe ich dazu auch noch wenig geschrieben, denn die Tante las hier häufig mit und ich wollte manche Dinge vor ihr auch nicht unbedingt hier niederschreiben. Sie ist immer noch fleißig im Netz unterwegs, aber ihr Interesse hat sich mehr zu Tierfilmen auf youtube verlagert. So werde ich von den Herausforderungen für meine Schwester und mich nun doch berichten, denn inzwischen zeigt sich, dass in meinem Umkreis Viele ähnliche Probleme um älter werdende Eltern und Anverwandte haben und genauso wie meine Schwester und ich oft nicht wissen, wie wir alles weiterhin schultern sollen. Und wir sind nicht die Einzigen, die weit weg von den zu Pflegenden wohnen und uns oft zerreißen und unser Privatleben hintan stellen.
Aber der berufliche Wechsel bereitet mir auch viel Freude, ich habe hier an der Havel viele tolle Menschen schon kennenlernen dürfen und vor allem habe ich nach 32 Jahren Pause wieder begonnen, Geige zu spielen. Dies ist mitunter mühsam und frustrierend, manchmal auch nur serotoninausschüttend, aber ich habe mir ein Ziel gesetzt, nämlich wieder in einem (Laien-) Orchester zu spielen. Und diesem nähere ich mich zum Glück auch!

Und jetzt muss ich mich erst einmal mit dem veränderten WordPress-Gedöns hier vertraut machen.

15
Aug
16

Strausberger Platz

An einer sechsspurigen Straße zu wohnen, scheint auf den ersten Blick nicht besonders erstrebenswert, aber man muss Wohnungen auch eine Chance geben, in einer Großstadt sowieso. Freunde von mir haben ihre Wohnung in einem architektonischen Kleinod gefunden, ganz ohne Makler, nur über eine Wohnungsbaugesellschaft, einfach so. Und der Ausblick ist einfach grandios und einen Springbrunnen hat auch nicht jeder vor dem Haus.
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Lichtspiele von Sonne und Wolken veränderten die Ausblicke in jeder Minute. Da wir aber plauderten und kaffeesierten, blieb die Knipse meist in der Tasche.

28
Apr
15

Wortschöpfung?

Es ist ja immer wieder überraschend, wie groß die Vielfalt der Gründe für Verspätungen oder Zugausfälle bei der S-Bahn in Berlin ist.
Letztens sah ich aber ein für mich neues Wort: SCHADZUG!
schadzug
Ist das so etwas Ähnliches wie „Schadsoftware“ oder „Schädling“, also ein Trojaner oder eine übergroße Küchenschabe?
Nachdenklich verließ ich den S-Bahnsteig und stieg lieber in die U-Bahn um.

28
Mär
15

Café Solvey

Beim Surfen in den unendlichen Weiten des www stieß ich letztens vom Krankenlager aus auf die Mediathek eines privaten Fernsehsenders, der besonders die jüngere Frauenwelt als Zielgruppe hat, und dort auf eine Backsendung, bei der als Gast eine Cafébetreiberin geladen war, die mit der bunt gekleideten und bunt behüteten Moderatorin Petit fours backen sollte. Es kam natürlich die Rede auf das Café in Berlin Mitte und schok klickte ich weiter, denn ich wollte natürlich wissen, wo das Café liegt, ob es eine Website gibt und was man sonst so wissen will. Ja, es gibt eine Website: Café Solvey mit kleinem Blog daran hängend. Da ich schon länger nicht mehr in Mitte gebummelt bin, beschloss ich, gestern einmal im Café vorbeizuschauen. Die ruhige Caféhausbesitzerin fand ich bereits in der Sendung im Gegensatz zu der für mich immer etwas zu bunten und zu „zuckrigen“ Moderatorin sehr sympathisch und wollte ihre selbstgebackenen Kuchen zu probieren.
Also hatten wir uns mit einer Freundin verabredet und waren sehr neugierig. Das Café ist winzig, etwa 14 Sitzplätze verteilen sich auf den Hauptraum mit Theke und Backofen und den Nebenraum. Zur Kaffeezeit war es natürlich auch gut gefüllt, aber wir hatten Glück, zunächst im Nebenraum zwei Plätze zu ergattern, später an den etwas größeren Tisch im Hauptraum Platz zu finden. Kaffeespezialitäten und Kusmitees in Großmutters Blumengeschirr serviert mundeten uns sehr gut, die Heidelbeertarte schmeckte hervorragend, nicht zu süß, schön fruchtig auf sehr gutem Mürbeteig. Käsekuchen mit Himbeerfüllung, Erdbeertarte und diverse Schokoladenkuchen waren ebenfalls in den hübschen Kuchenvitrinen zu sehen.
Frau vau wählte später noch eine angenehm ingwerige Cola, ich einen wunderbaren Apfelsaft von roter Sternrenette. Hach, so muss ein Samstagnachmittag sein.
Kurz vor Toresschluss kamen wir mit der Caféhausbetreiberin noch etwas ins Gespräch, sie erzählte uns, dass man nur noch bis Juli bei ihr kaffeesieren kann: der Vermieter aus Griechenland hat die Miete so hoch gedreht, dass sie diese nicht mehr stemmen kann und daher schließen wird.
Wieder so eine typische Geschichte aus Berlin.

02
Feb
14

Schwesternwochenende

Die bester aller Schwestern ist an diesem Wochenende hier im Hauptdorf. Ökologisch korrekt ist sie mit der Bahn angereist, dann aber ins Auto zu mir gestiegen. Natürlich bin ich nur wegen des zu erwartenden Gepäckberges mit dem Wagen gefahren. Neee, da die Schwester eine güldene Kundenkarte von der M*TRO hat, mussten wir geschwind dort einkehren und flugs einen Fisch für’s Abendessen fangen.

Forellenfilets auf Ofengemüse

schnelle Version oder auch Soul food
(für vier Personen)

4 Lachsforellenfilets (mit Haut)
5 Möhren/Karotten (heute als violette Version)
2 Zucchini
2 Paprikaschoten
1 Bd. Frühlingszwiebeln
50 ml Olivenöl
3 Stängel Thymian
Salz, Pfeffer, Zitronensaft

Forellenfilets auf Gräten überprüfen, kalt abspülen, trockentupfen.
Zucchini in ca. 1 cm starke Scheiben schneiden, Paprika ebenfalls in ca. 1 cm breite Streifen schneiden. Möhren grob raspeln, Frühlingszwiebeln in feine Ringe schneiden, letzteren mischen.
Das Olivenöl in eine passende Auflaufform (ca. 30 x 40 cm) geben, so verteilen, dass Boden und Wandung benetzt sind. Nun die Zucchinischeiben und Paprikastreifen auf dem Boden verteilen. Die Fischfilets mit der Haut nach unten auf das Gemüse legen, mäßig salzen und pfeffern, Thymianblättchen großzügig darauf verteilen, ein paar Spritzer Zitronensaft über den Fisch geben. Dann die Möhren-Frühlingszwiebel-Mischung über den Fisch geben.
Bei 190°C ca. 25 min im Backofen garen. Dann ist das Gemüse noch bissfest und der Fisch perfekt.
Wir hatten als Beigabe nur ein Getränk dazu, Fisch muss ja schwimmen.

Heute habe ich kein Bild für euch, wir haben unser Abendessen einfach nur zu dem Zweck der Nahrungsaufnahme zubereitet, ein Blogbeitrag war eigentlich nicht geplant.

Gestern ging es bei schönstem Sonnenschein in die Trendbezirke des Städtchens, zunächst in die Wörtherstraße 23 zu Cakeville, einem niedlichen Lädchen für allerlei Backgedöns. Dann weiter kurz bei Coledampf’s eingekehrt, ob des Personals, welches einem unschlüssigen Kunden eine Kartoffelpresse für ca. 50 Eus auf eher hochnäsige Art aufschwatzen wollte, schnell wieder aus dem Laden raus, weiter nach Mitte, ein kleiner Marsch vom Rosenthaler Platz bis zum Hackeschen Markt, dort drei Grapefruits für den abendlichen Cocktail erworben. Schnell sprangen wir auf die Bahn bis in meinen ehemaligen Kiez, überraschenderweise hatte der Markt auf dem Boxhagener Platz noch seine Stände geöffnet. Leicht erschöpft gelangten wir dann zurück in die wohlige Wärme meines Zuhauses.
Später des Abends, nach einem sehr guten Abendessen auf dem Land, mixte die Schwester uns einen wunderbar gesunden Drink mit Grapefruitsaft, Gin und Rosenwasser.

Und nun noch etwas Musik mit einem fröhlichen Augenzwinkern zum Sonntagnachmittag:

31
Dez
13

Das eine geht, das andere kommt…

So, geschafft… 2013…

Normalerweise ist es ja nur ein Wechsel im Datum, denn irgendwie laufen die Tage ja ohne Innehalten weiter. Dieses Mal ist es etwas anders. Ich gehe gen Süden, nicht sehr weit, nur in die „mitteldeutsche Scheibenwelt“ und auch immer nur von Montag bis Freitags. Meistens. Hoffe ich zumindest. Und dann Freitag bis Sonntag hier im Bundesdorf. Hoffe ich stark.

So ein (Teil)Umzug ist auch aufregend, denn irgendwie muss ich die Dinge, die schon einmal in einem Zweitwohnsitz mit mir zusammen wohnten, wiederfinden:

  • Handrühgerät (wieso komme ich da zuerst darauf?)
  • Töpfe (wohnen inzwischen in Hannover bei meiner Schwester)
  • Wasserkocher (gestorben, in der Uckermark geblieben, zu Weihnachten gab es einen richensaroten)
  • Bettstatt (brauche ich neu)
  • Sessel (der bleibt hier, ich leihe mir vor der Tante einen, der meiner Oma gehörte, hinreißend in grün mit gelben Blumen)
  • Tisch für die Küche (auch von der Tante geliehen, gehörte vorher der Großtante)
  • Tisch für Arbeitskram und Bewirtung von kleineren Gästescharen (ja, Beine im Keller, Platte hinter dem Regal)
  • Toaster (der alte hat mal fast gebrannt, wurde entsorgt)
  • Stühle (auch von der Tante geliehen, sechs Klappstühle aus solidem Holz in dunkelgrün, komplementär zu richensarot)
  • Eierbecher (wer braucht die?)
  • Geschirr (ja, das bunte aus der Studentenausstattung und ein paar Schälchen, davon zwei nach Formen des 17. Jahrhunderts nachgetöpfert, ein Geschenk von einem sehr netten Authentizitätsfreak)
  • Wassersprudler (will keine Flaschen mehr schleppen, nur alle paar Monate die Sprudelpatrone, neu!)
  • Besteck, Küchengedöns, scharfe Messer, Messerschärfer (habe ich noch)
  • Magnetleiste für scharfe Messer (ha!)
  • Wecker (habe ich noch, der hat ein echt fieses Klingeln, habe ich seit der Erstkommunion in zahnsteinbeige, der geht einfach nicht kaputt!)
  • Bettzeug und -wäsche, Handtücher (ja, alles da, schon verpackt so vacuumierten Päckchen, sehr praktisch, dafür braucht’s nur einen
  • Staubsauger (musste neu, jetzt einen ohne Beutel, der alte hatte schlappe 500 W und wurde 2006 entstorgt, da hätte ich auch Strohhalme nehmen können)
  • Duschkopf und -schlauch (es hat zwar einen in der Dusche in der neuen Wohnung, aber „da ist mir fies vor“)
  • Haushaltsleiter (ist schon da, ist noch aus dem Haushalt meiner Eltern, hat mein Vater je eine neue gekauft??)
  • Haarfön (der alte Zweitfön ist beim Abtauen einer Tiefkühltruhe in die ewigen Föngründe gelangt, brauche ich noch)

Was fehlt wohl noch? Irgendwie habe ich immer die Panik, dass ich vor dem ersten Arbeitstag da stehe und irgendwas wichtiges fehlt. Bügeleisen… ja, habe ich nur fürs Wochenende…

Was auch immer in 2013 noch passiert, ich stehe da mit gepacktem Gedöns und schaue mal, was dann nächstes Jahr so alles passiert. Ich bin gespannt!

 

 

19
Dez
13

Ausstellung „Geraubte Mitte“ in Berlin

Derzeit läuft im Ephraimpalais, der Dependance des Stadtmuseums eine Ausstellung über die planmäßige Plünderung des jüdischen Eigentums in der Stadt. Die Ausstellungsmacher haben sich auf die historischen Stadtkerne von Alt-Berlin und Alt-Cölln beschränkt, da bereits in diesem Bereich die Recherche unglaublich umfangreich war. So wurden die Berliner Adressbücher ausgewertet sowie eine schier unglaubliche Anzahl von Grundbucheinträgen.

Der Besucher wird im ersten Raum, einem der aufwändigsten Salons des barocken Palais(nachbaus) mit der Geschichte der Juden in der Mark Brandenburgs und natürlich Berlins empfangen. Bereits die Ersterwähnung zeugt von nicht spannungsfreiem Miteinander: 1295 wird den Wollwebern verboten, ihre Rohstoffe bei den jüdischen Händlern zu kaufen. Mit der Pestpandemie um die Mitte des 14. Jahrhunderts kommt neues Unheil über die jüdische Gemeinde, denn sie werden verdächtigt, die Krankheit durch vergiftetes Brunnenwasser verbreitet zu haben. Erste Enteignungen, erst Jahre später dürfen sie wiederkommen, ihre einstigen Häuser dürfen sie mieten, Grundeigentum bleibt ihnen verwehrt. Der nächste Tiefschlag trifft die Juden 1510: nach einem Diebstahl liturgischer Gefäße in einem Dorf außerhalb Berlins werden sie beschuldigt, die darin enthaltenen Hostien geschändet zu haben und zudem auch noch (christliche) Kinder ermordet zu haben. Ermordet werden nur sie: 39 Männer werden auf dem Platz an der Marienkirche verbrannt, ihre Angehörigen des Landes verwiesen. Münzfälschungen und Vergiftung des Kurfürsten 1572 werden ebenfalls als Vorwand für Vertreibung und Plünderung des fremden Besitzes genommen. Erst die Aufklärung des 18. Jahrhunderts auf beiden Seiten, der christlichen und jüdischen, bringt erste Annäherungen mit sich, die aber erst nach dem 1. Weltkrieg in einer rechtlichen Gleichstellung abgeschlossen ist.

Ein Hauptstilmittel der Ausstellung sind die weißen Schreibtische, die in allen folgenden Räumen in unterschiedlichen Formationen erscheinen. Ansonsten sind die Wände mit flächendeckenden Plots historischer Fotos, die die Inhalte illustrieren, abgehängt. Ich bin immer wieder fasziniert, in welcher Qualität sich die Schwarzweißbilder „hochpusten“ lassen. Schade nur, dass die Bahnen nicht in allen Fällen verschweißt und an der unteren Kante zum Straffhalten beschwert waren, so wird der gestrenge Besucher einen kleinen Punktabzug in der B-Note geben, aber das nur am Rande.

Die Ausstellung nimmt den Besucher nun auf die Jahre nach 1933 mit: in einer Schriftbanderole lassen sich die allmählichen Einschränkungen ablesen. Im Hauptteil des Ausstellungsbereiches werden die Schicksale von einzelnen jüdischen Familie gezeigt. Gegenübergestellt sind drei Lebenläufe der Täterseite, die als Schreibtischtäter nach dem 2. Weltkrieg meist unbehelligt blieben.

Die Schicksale der Enteigneten gingen mir als Besucher einmal mehr „an die Nieren“: nicht nur Ermordung in einem KZ stand viel zu oft am Ende eines Lebenslaufes, sondern auch Selbstmord, Depressionen und viel zu selten auch erfolgreiche Flucht, bei der sich die Nazibehörden ein letztes Mal bereicherten.

Am Ende stehen Kriegszerstörung und Wiederaufbau, aber auch die Fragen zur Entschädigung des geraubten Eigentums. Besonders bitter erscheinen die auch im Begleitband aufgeführten Beispiele, wie bis heute nur in wenigen Fällen eine für die einstigen Besitzer und deren Angehörigen akzeptable finanzielle Entschädigung gezahlt wurde. Beschämend.

Bestürzend zu sehen, wie viele Grundstücke allein in Mitte seit 1933 ihren einstigen Besitzern von den Machthabern auf die eine oder andere unredliche Art genommen wurden, durch die leisen und unsichtbaren Schreibtischtäter. Und hinter jedem der rot auf einem großen Fotoplot hervorgehobenen Grundstücke und Häuser oder in der Datenbank in der Medienstation stehen Schicksale, echte Menschen, die in der Mehrzahl die zwölf Jahre des mörderischen Regimes nicht überlebten.

Webinfo: Stadtmuseum Ephraimpalais

Öffnungszeiten: Di, Do–So 10–18 Uhr | Mi 12–20 Uhr

Eintrittspreise: 7,00 / erm. 5,00 Euro; Begleitbändchen ist im Preis enthalten
jeden 1. Mittwoch im Monat Eintritt frei, dann Katalog 3,00 Euro

Adresse: Poststraße 16, 10178 Berlin (Mitte)

16
Dez
13

Gendarmenmarkt

Am vergangenen Donnerstag habe ich dem Weihnachtsmarkt auf dem Gendarmenmarkt meinen diesjährigen Besuch abgestattet, nur kurz, auf zwei Glühwein mit einem auswärtigen Kollegen und seiner Tochter. Als wir den Markt verließen, erzählte ich ihnen kurz, wo wir uns befanden, so rein stadtgeschichtlich.

Es ist noch gar nicht so lange her, dass ich endlich selber die wichtigsten Etappen der Stadtentwicklung Berlins verstanden hatte. Ob nun Henne oder Ei als erstes da waren, also Berlin auf der östlichen oder Cölln auf der westlichen Spreeseite, darüber streitet man immer noch. Eines scheint aber klar: „Cölln“ hat nichts mit Köln am Rhein zu tun, sondern eher mit „colonia“. Wer aber der Colonialherr war, auch das liegt im Dunkel Berliner Geschichte.

Auf eine gemeine Art hat mir auf gefallen, was ich so zum Bau der frühneuzeitlichen Stadtbefestigung  in der einschlägigen Literatur gefunden habe, die Befestigung, die die Bürger der Doppelstadt vor den meisten Unbilden des Dreißigjährigen Krieges schützen sollte. Sie hat mehr mit der BER Baustelle zu tun, als die meisten von uns ahnen: auch sie wurde nicht fristgerecht eingeweiht! Der Dreißigjährige Krieg war offiziell in Münster und Osnabrück schon vier Jahre für beendet erklärt, bis die Berliner Bastionen mitsamt Wall- und Grabensystemen fertig waren, gebaut mit der Schaufelkraft der Einwohner und natürlich mit ihrem Geld. Später musste beides wieder aufgewendet werden, um die mächtigen, bis zu 50 m breite Verteidigungsanlage wieder abzureißen. Vorstädte außerhalb der Mauern gab es ja schon vorher, denn die Bürger der Residenz mussten ja auch versorgt werden: so lagen Gärten, Meiereien, Holzplätze und natürlich auch der Gerichtsplatz außerhalb der Mauern.

Stadtplan von Dusableau 1723 (Blickrichtung ca. Süden)
(Quelle: ZLB Berlin, B 54/1723/2, digital über europeana)

Die Karten aus dem 18. Jahrhundert zeigen schön dieses „Hinauswuchern“ über die alten Grenzen: die „Dorotheenstadt“ nördlich des Boulevards „Unter den Linden“ (auf der Karte in der rechten Mitte), die „Friedrichstadt“ (diese Gitterstruktur auf der rechten Seite), die „Stralauer Vorstadt“ (nach Osten, also hier links).

Stadtplan von F. Walther 1738 (immer noch gesüdet)
(Quelle: ZLB Berlin, B 54/1738/1, digital über europeana)

Auf dem zweiten von Walther noch besser zu erkennen: die Friedrichsstadt mit ihrem schachbrettartigen Straßenraster, der Gendarmenmarkt, hineingezoomt (innerhalb des roten Rahmens) liegt das, was heute als der schönste Platz Berlins bezeichnet wird.

Gendarmenmarkt_Karte

Auszug aus dem Waltherschen Plan (Quelle: ZLB Berlin, B 54/1738/1, digital über europeana)

Um 1738 ist das Konzerthaus in der heutigen Platzmitte noch nicht errichtet, dafür stehen noch die Mannschaftsunterkünfte da, die dem Platz seinen Namen gaben, die der „Gens d’armes“. Die „deutsche“ und die „französische“ Kirche stehen inmitten eines mit Häusern umbauten Quartiers, keine aufwändigen Kuppelbauten, wie wir sie heute kennen. Und das Achteck am oberen rechten Bildrand ist heute auch noch vorhanden, zumindest in seiner Reststruktur: der Leipziger Platz, der gerade sehr aufwändig und quadratmeterteuer überbaut wird. Unter Teilen des Potsdamer Platzes hin zum Henriette Herz Park lag übrigens der zugehörige sehr große Friedhof.

30
Sept
13

Pur beurre!

croissant pur beurre 01

An sich darf ja in Frankreich nur der das Wort „Boulangerie“ als Schild heraushängen, der auch wirklich selber backt und eine Backstube direkt hinter der Theke hat. So ist die Theorie und zum Glück auch in so vielen Fällen die Praxis. Und noch schöner ist es, wenn der Bäcker auch nur das Quartier, in dem seine Backstube zuhause ist, beglückt.

Dieses Glück war mir in La Rochelle hold. Eine kleine Bäckerei an der Straße, die Ladentheke nicht einmal zwei ausgebreitete Arme breit, der Blick in die Backstube dahinter ist frei und der Duft von Hefegebackenem zieht leicht ein paar Meter über die Straße. Ein Traum, da in der Rue du Cordouan, am Rande der Altstadt.

Das Bäckerpaar Gaultier und Sophie Militon stammt aus der Pariser Gegend und hat sich mit der kleinen Bäckerei, die eben nur für die Nachbarschaft sein soll, einen Traum erfüllt: beste Qualität, beste Zutaten und eben für die Menschen da, so ein kleines Geschäft, wie es sie früher eben zu vielen in den Straßen gab.

Als wir am Sonntag morgen nach einer offenen Bäckerei suchten, haben wir einfach auf der Straße geschaut, woher die Leute mit ihren Backwaren kamen und sind dieser Spur gefolgt. So kamen die ersten Croissants auf den Tisch, etwas ungewöhnlich geformt, aber der Geschmack! Knusprig, dabei mit wunderbarer Goldfarbe und einem Geschmack, der die Zutat von Konfitüre, Honig oder sonstigem von vorneherein schlichtweg verbot. Nur die Bolle Café au lait erlaubten wir uns. So hatten wir vom ersten Tag an den Bäcker unseres Vertrauens.

Der Reisegefährte wagte sich auch alleine an die Einkäufe, da das Bestellen von „deux Croissants“ auch für ihn zu schaffen war. Mutig bestellte er noch „deux petit pains au chocolat et une baguette“. Der zweite Bäcker grinste ihn an und fragte: „Woher kommen Sie?“ (auf deutsch, mit leichtem französischen Akzent). Die Antwort: „Aus Berlin.“ Oh, diese Freude auf der anderen Seite des Tresens, denn der Bäcker war ein echter Berliner! Als Sohn eines französischen Soldaten war er in Berlin geboren, bevor ihn seine Ausbildung als Koch unter anderem nach Goslar und nach Südwestdeutschland verschlagen hatte. Und so konnte er dem Reisegefährten auch auf Deutsch erklären, was das Besondere der Backwaren ausmacht: echte Butter, Eier und Mehl aus der Region, Zusammenarbeit mit kleinen Betrieben, die sich der hohen Qualität verschrieben haben.

Keine Frage, dass wir keine anderen Backwaren als die aus dieser Bäckerei in unsere Bleibe trugen und auch unser letzter Gang in La Rochelle vor der langen Heimfahrt uns hierher führte und wir mit zwei Croissant, zwei petit Pains au chocolat und zwei mit Heidelbeerkompott gefüllten Brioches als Wegzehrung aufbrachen. Es war natürlich viel zu wenig und reichte nur bis Tours!
Und ich habe ganz vergessen, den „Berliner“ nach seinem Namen zu fragen…

La Mie Militon
43 Rue du Cordouan
F-17000 La Rochelle

 

30
Aug
13

Bilder am Morgen

Lustigerweise habe ich genau dieselben Bilder gestern bei Frau tonari im Blog gesehen, wir scheinen ähnliche Wege durch Berlins Mitte zu haben.




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