Es ist sehr heiß dieser Tage. Abkühlung verspricht nur der Aufenthalt im Keller oder im Schatten. Ich wählte heute den Schatten und das Arboretum der Späthschen Baumschule. Gemeinsam mit Frau Indica elegisierte ich über die schattigen Wege, immer mal von glitzernden Tropfen aus der Bewässerung zusätzlich erfrischt.
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Wilder Straßenrand
Da lief ich in der letzten Zeit mit schöner Regelmäßigkeit morgens noch recht traumumwölkt und mit noch fast vom Schlaf verklebten Augen zur S-Bahn-Station meines Vertrauens und bemerkte während mehrerer Tage erst, als ich am Bahnsteig stand, dass da irgendwas auf dem Weg nicht ins Bild passte. Ich hatte also so eine Art Suchbild vor dem inneren Auge und überlegte, was nicht dahinein so recht hineinzupassen schien.
Zum Glück bin ich zum Feierabend etwas wacher und habe heute die wilden Kreaturen eingefangen.
Das Arboretum in Baumschulenweg
Die neuzeitliche Geschichte des Ortsteils „Baumschulenweg“ (zum Bezirk Treptow-Köpenick gehörig) ist schnell erzählt. Bis etwa 1840 erstreckte sich die Cöllnische Heide mit ausgedehnten Waldungen bis zum heutigen Plänterwald, das zugehörige Forsthaus an der heutigen Rixdorfer Straße war weit und breit das einzige Gebäude, auch noch als es zum Gut Marienthal umgewandelt wurde.
Als die Cöllnische Heide irgendwo als Bauholz in der wachsenden Stadt Berlin verschwunden war, mussten die Gewerbe am Stadtrand weichen. So zog auch die Gärtnerei Späth weiter nach draußen, wo sie von den nachfolgenden Generationen zu einer der größten der Welt ausbaute, damals gegen Ende des 19. Jahrhundert. Eine prachtvolle Gründerzeitvilla wurde zum Zentrum des Spätschen Imperiums, ein großer Hausgarten im Stile eines englischen Landschaftsgarten inklusive Lavagrotten und See rund um das Haus vervollständigte das Ensemble.
Dieser ehemalige Hausgarten von 1879 mit prächtigem alten Baumbestand war der Grundstock für das Späthsche Arboretum, welches sich heute im Besitz der Humboldt Universität befindet. Die Baumschule Späth gibt es immer noch, am selben Ort. Und das Arboretum auch, ein schöner Ort, leider nicht ganz so ruhig, denn die Späthstraße, Verlängerung der Baumschulenstraße geht direkt am „Gartenzaun“ vorbei, der Zubringer zur Autobahn A113.
Am 1. Mai waren wir zunächst fast alleine im Garten,nachdem wir unseren Obulus bei dem Münzsammler am Eingang gelassen hatten. Für 5 € gibt es die Jahreskarte, aber nur wenn das Kassenhäuschen besetzt ist. Ein DinA4 Blatt informiert über die wichtigsten Eckdaten des Gartens, von Zeit zu Zeit gibt es auch Führungen, leider mussten wir uns ohne auskommen, aber so war mehr Zeit, sich den Garten selber zu erwandern.
Nach und nach kamen mehr Besucher, die ihr Picknick dabei hatten oder einfach am See saßen und den Feiertag genossen.
Ein fast magischer Ort…
Mein Hausberg
Nur wenige Minuten von meinem neuen Zuhause entfernt erhebt sich ein Berg, zumindest, wenn man seine Höhe nach Berliner Maßstäben bestimmt. In etwas weniger flachen Regionen wie der Uckermark wäre er ein Hügel und in hügligeren bis bergigen Umgebungen wie dem Voralpengebiet oder Schottland würde man die Erhebung nicht einmal wahrnehmen. Aber wir sind ja hier in Berlin südlich der Spree, wenn auch nur knapp südlich. Der Hausberg, der den netten Namen Rodelberg trägt, war endlich einmal das Ziel eines kleinen Spazierganges zur sonnigen Mittagszeit, denn ich wollte seiner Genese etwas auf die Spur kommen. Der Blick auf die geologische Karte ließ im ehemaligen Urstromtal keine überraschenden Erhebungen vermuten, was also hatte dem Rodelberg zu seiner Existenz verholfen? Die angrenzende kleine Straße mit einer Bebauung aus der Zeit kurz vor dem 1. Weltkrieg im südlichen Bereich und genossenschaftlich wirkenden Häusern aus den 1920ern heißt sogar „Rodelbergweg“, ob dieser Straßenname wirklich so alt wie die Bebauung ist, ist fraglich. Zunächst stand also eine Geländebegehung auf dem Plan! Flugs waren die Schuhe geschnürt, der Fotoapparat geschultert, der Rucksack mit Steigeisen gepackt und die Sonnenbrille ergriffen. Die Steigung war gerade noch zu bewältigen, aber noch nicht ganz auf dem Gipfel erspähte ich den ersten Hinweis: ein Bodenaufschluss, sicher nicht vom Grünflächenamt ergraben! Kräftig braune krümeliges Substrat, definitiv Braunkohlasche, Porzellan-, Glas- und Steinzeugscherben aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Nun war der Fall schon gelöst, fast war ich ein wenig enttäuscht: der Rodelberg ist eine künstliche Aufschüttung aus klassischem Mülldeponiematerial des frühen 20. Jahrhunderts. Und auf der nördlichen Seite wurde wirklich eine Rodelbahn angelegt, wie der Baumbewuchs zeigt, der eine breite Schneise freilässt. Wenn man mit offenen Augen dort umherwandert, sieht man überall Scherben zwischen dem noch kargen Bewuchs.
Später habe ich noch etwas gesucht, ob sich nicht doch noch genauere Angaben zur Aufschüttung finden lassen und da wurde ich nicht enttäuscht: Und um diese Frage zu klären, befragte ich zunächst die von der Zentral- und Landesbibliothek Berlin bereitgestellten Adressbücher zwischen 1799 und 1943 und darüber das Straßennamenlexikon für Berlin. Dieses wusste mir zum Straßennamen zu berichten, dass der Rodelbergweg zwischen 1905 und 1931 Cecilenstraße hieß (nach Cecilie Auguste Marie, bis 1919 deutsche Kronprinzessin), zwischen 1931 und 1934 Braunweg (nach Lily Braun, der deutschen Frauenrechtlerin).
Bevor aus der Cecilenstraße aber der Braunweg wurde, entstand mein Hausberg! Die Bezirksverwaltung beschloss, hier, wo der Britzer Verbindungskanal in die Spree mündet und es bis zum Plänterwald auch nur ein paar Schritte sind, einen kleinen Park anzulegen. Und wenn man keinen 12 m hohen Berg hat, dann baut man sich eben einen, für den man nur ca. 60 000 Fuhren Schutt und Müll benötigt. Spree und Kanal waren für die Anlieferung perfekt, die Müllschiffe konnten gleich anlegen. Neben dem Müll aus der Hauptstadt fiel bei der Bautätigkeit in Berlin auch genügend Oberbodenmaterial an, dass der Berg auch hübsch abgedeckt und bepflanzt werden konnte. Und eine Rodelbahn wurde auch angelegt. Dass Lily Braun als sozialdemokratische Frauenrechtlerin nach 1933 nicht mehr als Namenspatin für eine Straße dienen durfte, ist auch nicht ganz überraschend!
Fall gelöst! Is‘ alles Müll, mein Hausberg!
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