Wieder war 6. November, wieder war ich in Lützen zum Gustav-Adolf-Tag, der nun in Tag der Begegnung umbenannt wurde. Vor der Kirche in Meuchen standen Autos mit schwedischen Kennzeichen, einige Wagen mit Diplomatenkennung sah ich auch. Auch ich hatte dieses Jahr zwei Besucher aus Schweden dabei, denen ich vor Wochen von diesem Tag erzählt hatte. Beide haben Lützen als Ort der Schlacht, in der der bekanntestes schwedische König Gustav II. Adolf fiel, bereits besucht, keiner war jedoch am Gedenktag hier. Vor der Kirche durchliefen wir das Spalier der Sänger des Göteborger Universitätschores, der die Feierlichkeiten in Kirche und später an der Gedenkstätte musikalisch begleiten sollte. An der Kirchentür wurden wir von Bürgermeister und Pfarrer begrüßt, bevor wir in die kleine Kirche gingen. Wiederum diese eigentümliche Mischung aus örtlicher Bevölkerung, Vertretern der nordischen und estnischen Botschaften und Militärs, darunter auch ein Offizier des Heeres der Bundeswehr. Die schwedische Gemeinde aus Berlin schickte auch dieses Jahr ihre Pastorin, so dass neben dem schwarzen mächtigen Talar der Kirche Luthers auch das etwas freundlichere, fast katholisch wirkende Habit der Schwedin etwas Farbe in den Gottesdienst brachte. Von vielen unbemerkt waren zu Beginn des Gottesdienstes auch eine Gruppe Reeanactors in den hinteren Teil der Kirche getreten. In nachgefertigter Kleidung der Soldaten des Dreißigjährigen Krieges hatten sie die acht Männer die Nacht auf dem Schlachtfeld verbracht. Sie hatten dies, wie sie mir erzählten, getan, um auf ihre Weise der Soldaten zu gedenken, die in Angst und Spannung damals vor 383 Jahren ihre letzte Nacht in Erwartung der Kämpfe und vielleicht auch des eigenen Todes das Morgengrauen wenig Schlaf gefunden hatten.
Von den offiziellen Vertretern wurden sie nach dem Gottesdienst eher misstrauisch beäugt, von den Kindern der schwedischen Schule jedoch mit vielen Fragen bestürmt.
Der zweite Teil der Feierlichkeiten wurde in der Gedenkstätte bei Lützen begangen und wieder wurden eine Menge Kränze am Gedenkstein für den gefallenen König niedergelegt, zuletzt legten die Reenactors einen eigenen Kranz mit selbstgestalteter Kranzinschrift nieder, leider wiederum etwas scheel von offizieller Seite beäugt. So stellte es sich für mich aus der Warte der Beobachterin dar.
Es ist eine eigentümlicher Tag, der dem Gedenken eines Königs gewidmet ist, der eher aus dem Streben um die Vormacht im Ostseeraum und im Nordosten Deutschlands in den Dreißigjährigen Krieg eingetreten war als aus Sorge um die Glaubensgenossen, auch wenn man das aus streng protestantischer Sicht in Lützen hier sicherlich anders sieht. An jenem Tag habe ich nur zweimal den Hinweis auf die vielen tausend Toten, die man eben nicht mit Namen kennt, gehört, dort, während der Gedenkfeierlichkeiten. Merkwürdig, ich muss der Gedenkstätte nur den Rücken kehren, auf das Feld auf der anderen Straßenseite schauen und dann geht bei mir das Kopfkino zur Schlacht an…
Erst im Anschluss geriet der Tag mehr zu einem Tag der Begegnung: im Saal des Roten Löwen, des örtlichen Gasthauses fanden man sich Kaffee, Soljanka, belegten Brötchen und Bier zusammen. Die Gespräche dann waren für mich auch ganz spannend, es hat für mich sogar zu einem kurzen Schnack mit dem schwedischen Botschafter gereicht. Dem Gesandten der estnischen Botschaft fiel als erstes mein Fingerring auf, der einem Fund aus dem 12. Jahrhundert aus seiner Heimat nachgebildet ist – kurios! Schließlich landete ich an der langen Tafel neben dem Journalisten, den ich am Vortag in Halle kennengelernt hatte und den ich an den Stationen dieses Tages immer wieder traf, er hatte offensichtlich dieselbe Tagesplanung. Mein schwedischer Besuch staunte über die gelb-blaue Farbenpracht der Lützener Dekoration, ich auch… ein wunderlicher Tag!
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