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Stadt der Baumkuchen – Salzwedel

Die Zubereitung eines Kuchens auf einem Spieß, über einer größer werdenden Teigrolle vor offenem Feuer dünkt ja irgendwie mittelalterlich, in Salzwedel lebt aber bis heute eine ganze Berufssparte von der Herstellung der Spezialität, die inzwischen auch von der EU mit „geschützter geografischer Angabe“ geadelt wurde. Ich war gespannt auf das Städtchen und natürlich auch auf die Baumkuchenbäckerei ebenda. Knapp außerhalb der Altstadt, sozusagen im Schatten eines der Stadttore, des Neuperver Tores ließen wir das Auto stehen und machten uns zu Fuß weiter in die Stadt auf.
Salzwedel nennt sich übrigens wieder „Hansestadt“, seit 2008 sind sie im Verbund der neuen Hansestädte aufgenommen. Der Hanse sind auch die „Wasserspiele“ gegenüber vom Rathausturm gewidmet, die Städtenamen sind auf Metallplättchen geprägt, die den Rand bilden.
In der Stadt bemerkt man eine angenehme Munterkeit, die sich auch darin äußert, dass man bei der Stadtplanung erkannt hat, dass das vollständige Verbannen des Autoverkehrs aus einem historischen Stadtkern doch nicht so hilfreich für kleine Geschäfte und Dienstleister ist, wie das in der Frühzeit der Fußgängerzonen gesehen wurde. So ist dank eines klugen Einbahnstraßen- und Spielstraßensystems der Durchgangsverkehr zwar beruhigt, dennoch ist auch die Innenstadt per Auto erreichbar.


Und so haben mehr kleine Geschäfte überlebt, als ich in einer kleinen Kreisstadt erwarten hätte. Allenthalben wird in den Cafés auf die lokale Spezialität „Baumkuchen“ verwiesen. So schlenderten wir durch die kleinen Straßen und gelangten auch zum offensichtlichen „Big Player“ im Baumkuchengeschäft: Kruse Baumkuchen, die als besondere Attraktion eine Besichtigungstour entlang der hauseigenen Produktion anbieten. Kurios ist allerdings, dass der neugierige Besucher nicht nur schauen darf, sondern vor Befriedigung der Neugier erst einmal 1 € in eine Besuchervereinzelungsanlage mit Drehkreuz werfen sollte. Zum Glück hatte der Reisegefährte kein Kleingeld, daher würde ich mich alleine „zu Grütze“ ärgern! Das Quittungspapier war auch ausgegangen, Kleinkram, aber es hätte mich warnen sollen. Ich drehte noch frohgemut das Kreuz und befand mich mitten in der Welt der spiegelnden Scheiben. Auf der rechten Seite hätte ich aber schon muntere Kuchenbäcker sehen sollen, die den Teig aus Butter, Eiern und Mehl unter Zugabe von Zucker, aber ohne Backpulver vorbereiteten. Niemand, nur spiegelnde Edelstahloberflächen.

Ich las den erläuternden Text und ging zum nächsten Fenster weiter. Wieder niemand, der Edelstahlquirl in der großen Rührmaschine hing gereinigt an der Maschine. Noch ein Fenster weiter: wieder niemand, kein backendes Gebäck, nur leere Baumkuchenrollen, alles wohl gereinigt. Zum Schluss dieser enttäuschenden Tour wurde ich direkt vor die langen Verkaufstresen im angeschlossenen Café geleitet, Baumkuchen in knisterndem Glitzerpapier allenthalben. Die Baumkuchenfachverkäuferin sah mich auffordernd an. Aber so nicht, gute Frau! Ich formulierte höflich meine Enttäuschung ob der fehlenden Animation an der EU-geadelten Backfront und schloss die Frage an, ob ich denn dann meinen Euro als in Form eines um genau jenen reduzierten Einkaufes wieder bekommen würde? Die Dame verzog das Gesicht und teilte mir mit, dass man wohl dort gerade Mittagspause habe. Mittagspause? Ehrlich gesagt sah die Backstube aus, als ob sie eher Pfingstpause hätten. Ach ja, und im Übrigen, fügte sie hinzu, würde da ja ein Schild darauf hinweisen, dass in den Mittagspausen niemand Baumkuchen backen würde. Ich verneinte, es gab keinen Hinweis vor dem Drehkreuz. Jetzt war sie am Ende mit dem Verkaufslatein, dachte ich. Nein! Jetzt wurde der argumentative Hammer hervorgeholt: man habe mit denen ja auch gar nichts zu tun, sie seien hier schließlich das Café. Ahhh! Ich lachte sie einfach aus und meinte dann, dann wolle ich ihren Kuchen auch gar nicht mehr. Sie möge ihren Chef zu solchen Fachkräften aber bitte beglückwünschen. Vielleicht bin ich ja als Einzelkunde einfach zu wenig Kunde, denn man scheint eher auf busladungsweise Kaffeefahrten zu warten. Dann warten Sie mal weiter, Firma Kruse! Und die Website baumkuchen-kaufen.de zu nennen, spricht auch eine deutliche Sprache, gell?

Meinen Baumkuchen habe ich später bei der Konkurrenz gekauft, da durfte ich sogar bei einer sehr netten Baumkuchenfachverkäuferin probieren!
Salzwedel_11


1 Antwort to “Stadt der Baumkuchen – Salzwedel”


  1. 1 karu02
    9. Juni 2015 um 14:07

    Tja, für Busladungen tut man fast alles, sogar Besuchervereinzelungskreuze einrichten. Aber nichtrührende Rührmaschinen sind eine Unverschämtheit, egal, für wieviel Euro. :-)

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