Auf Feierabend in mittelalterlichen Kirchen umherzuklettern, kann ganz schön hungrig machen. Das hatte unsere Landpartieplanerin Brigitte richtig vorausgesehen und vorsichtshalber ein Picknick in den Untiefen des Kofferraums verborgen. Sie wollte nach dem Kirchgang noch irgendwo eine Wiese suchen, wo wir uns auf mitgebrachten Decken elegisch drapieren sollten. Nun hatte unser Besuch in der Chorturmkirche einige Zeit gedauert, die Schatten wurden länger, die Sonne sank. Wie gerufen kam uns die Bushaltestelle von Sylbitz, mit zwei gemütlichen Holzbänken, schön in der Abendsonne gelegen und vollkommen unbesucht von jedweder Dorfjugend. Genau das Richtige für uns vier Damen!
So schmausten wir mitgebrachten Reissalat, Pizza, Gurken und Zwiebelbrot und labten uns an Rotwein, Johannisbeersaft (Farbe wie Rotwein!) und leicht geschmolzene Pralinen. Die Vögel zwitscherten, von ferne rauschte die Autobahn und nur zwei Autos fuhren langsam an uns vorbei.
Hach! Wat schön!
Archiv für Mai 2015
Sylbitzens Chorturmkirche
Mittelalterliche Kirchen haben einen Chor im Osten und den Turm im Westen, dazwischen das Kirchenschiff, so zumindest funktioniert der einfache Bausatz. Und in Sylbitz ist alles ein wenig anders: hier hat der Westabschluss keinen Turm, dafür der Chor.
Nur wenige Kilometer vom Petersberg liegt das verschlafene Dörfchen, die mittelalterliche Kirche duckt sich auf dem Kirchberg hinter die Kronen der mächtigen Kastanien, die dem unwissenden Besucher den Blick auf das Kleinod verstellen. Aber zum Glück zeigt der kleine Wegweiser die richtige Richtung.
Ehrlich gesagt waren wir auch zunächst auf der falschen Fährte. Der nette Nachbar ließ uns aber durch den Durchgang zwischen der alten Dorfschule und dem kleinen Kirchhof huschen, wo wir schon erwartet wurden. Ein Kollege von uns engagiert sich seit Jahren im Förderverein der Kirche und war gekommen, um uns alles über seinen „Schatz“ zu erzählen.
Er stellte uns die Baugeschichte der Kirche ausführlich vor: der Bautyp, in der Romanik entstanden, war vor allem in ländlichen Gegenden in Mittel- und Süddeutschlands verbreitet, die nächsten Beispiele stammen aus Thüringen, und dann zumeist bei kleineren Kirchen. Es sind nur noch wenige dieser Dorfkirchen erhalten, die meisten wurden im 18. Jahrhundert durch Neubauten ersetzt. Das Sylbitzer Beispiel ist nur wenig im Laufe der Jahrhunderte verändert worden, allerdings sind auf der Südseite die romanischen Fenster durch größere ersetzt worden, auf der Nordseite sind die alten erhalten. Man betritt die Kirche heute von Norden, durch die ehemalige Leichenhalle, die durch den heutigen Portalvorbau an gleicher Stelle im 19. Jh. ersetzt wurde, aber das mittelalterliche Portal blieb erhalten. In der Mitte des Bogenfeldes des Tympanons ist in eher einfacher Steinmetzarbeit der Lebensbaum, links um Palmettenblätter und Rosetten erweitert, dargestellt, Sinnbild des Paradieses. Rechts davon sind zwei Tiere u erkennen, die wohl eher auf die Fabel vom Wolf und dem Kranich darstellen.
Ebeso ist der Einbau von Empore, Kanzel und Gestühl eine jüngere Zutat, während der einfache Taufstein mitten in der Kirche wahrscheinlich aus der Erbauungszeit im 13. Jh. stammt.
Ebenfalls aus dem Erbauungszeit dürften die Reste von Wandmalerei stammen, die sowohl an der Nordseite der Kirche als auch im Chorbereich zu finden sind, und diesen Bereich sicherlich optisch besonders betonen sollten.
Ebenfalls dem 13. Jahrhundert dürfte die wie ein Einbaum aus einem Eichenstamm gefertigte Truhe mit den Eisenbändern stammen, die oben auf der Empore steht, sicherlich schon seit der Zeit, als das Gestühl eingebaut wurde, denn sie ist so schwer und groß, dass sie nicht durch die enge Treppenöffnung passt. Der Turm kann ebenfalls bestiegen werden, selbst ein Blick auf die mittelalterlichen Glocken, die offensichtlich allen Stürmen der Zeit getrotzt haben, sind noch vorhanden.
Eine wirklich wunderbare Landpartie, wieder zum Feierabend, wieder ein echtes Kleinod vor der Halleschen Haustür!
Schrenz
Kaum einer von Ihnen, liebe Leser, wird wohl jemals in Schrenz gewesen sein, es sei denn, er/sie wollte wirklich dorthin. Ich wollte an sich auch gar nicht dorthin, sondern auf den Petersberg, aber so ist das eben beim Elegisieren: der Weg ist das Ziel.
Wir waren kurz von der Ortsumgehung abgebogen, um endlich analoges und digitales Kartenwerk zu befragen, um selbiges nach dem Weg zum eigentlichen Ziel zu befragen, etwaige ortskundige Fußgänger standen uns nicht zur Verfügung. So gelangten wir in den Ort, der sich dem nachwendezeitlichen Straßenumbenennungskampagnen gänzlich abhold gezeigt hatte: Ernst-Thälmann-Platz (winziger Dorfplatz in der Größe eines Kleinwagenwendekreises) und Straße des Friedens. Viel mehr Straßennamen gibt die Ortsgröße nicht her. An der Kirche machten wir halt und wandelten einmal um die pittoreske Ruine mit akuter Einsturzgefahr. Mich hätte ja sehr interessiert, ob in der gemauerten Gruft aus dem 19. Jahrhundert noch die örtliche Gutsbesitzerfamilie ruht, aber leider war die Gruft gut gesichert und durch die Lichtschächte konnte ich nur in schwärzeste Dunkelheit sehen, aber sonst nichts weiter.
Noch stand die Sonne am Feierabendhimmel, das rostige Quietschen des Friedhofstores sorgt sicher für Gruseleffekte in mondlosen Nächten.
In einem der Nachbarorte, die wir auf dem Rückweg durchfuhren, gibt es sogar noch eine „Straße der DSF“ (der deutsch-sowjetischen Freundschaft), wie meine bei Rostock aufgewachsene Mitfahrerin begeistert bemerkte….
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