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Winterspaziergang in Friedrichshain

Das komplette Kontrastprogramm zum Winterspaziergang in Sichelnstein hatte ich heute morgen, als ich mal geschwind zur Packstation meines Vertrauens lief.

Der Regen der letzten Tage hat ganze Arbeit geleistet, es liegen nur noch Eisreste auf Gehwegen und an Straßenrändern herum, nur noch dunkelgraue ekelige Hügelchen. Und aus ihnen taucht alles das auf, was der Schnee in den letzten Wochen gnädig verborgen hat: Übelriechendes, Hundehaufen, Abfall aller Art. Niemand hat bisher mal vor den Häusern gekehrt und sich einfach mal nicht auf die BSR berufen, die doch den Dreck wegmachen soll, schließlich zahlt man ja Anliegergebühren, oder??

Und die Frühstücker hier im Viertel, die sich am späteren Vormittag um die besten Plätze an den „all-you-can-eat“-Büffets streiten und die Geh-Bier- (i.e. „Fuß-Pils“) & Kaffee-Togo-Trinker, machen es nicht besser. Man lässt alles dort fallen, wo man gerade lang läuft.

Auf dem slalomartigen Rückweg von der Packstation hatte ich mich ordentlich in Wut gegrummelt. Als ich in meine Straße einbog, kamen mir drei Grazien entgegen, die schnieke im streetwearig den nächsten Trendscout auf sich aufmerksam machen wollten. Die eine trug einen Becher mit einer sicherlich kalorienarmen Kaffeespezialität und setzte an, die letzte Neige zu konsumieren. Während sie nach dem Schluck weiter mit ihren Mitläuferinnen plauderte, ließ sie ganz elegant das Becherlein auf die Rabatte um einen Baum herum fallen und ging unbeirrt weiter.

Das war’s! Ich fühlte rote Wut in mir aufsteigen: Hallo, das ist das Viertel, in dem ich wohne und Du dummes Ding gehst hier und lässt deinen Dreck einfach so fallen???

Zwei Schritte und ich war nahe genug heran: „Hallo, Du hast da deinen Kaffeebecher verloren. Heb‘ ihn doch auf und nimm ihn bis da vorne mit zum Mülleimer“.

Das dumme Ding starrte mich erstmal verständnislos an, sie wollte vermutlich erstmal bestreiten, dass sie wirklich etwas hatte fallen lassen. Aber ich guckte streng wie Mutti. Sie wurde leicht rot (immerhin!) und meinte dann aber im Brustton der Überzeugung:

„Hier sieht’s doch eh schon Scheiße aus.“

Ich wurde noch ein Quentchen wütender, zog die Augenbrauen hoch und guckte noch strenger:

„Ist das ein Grund, dass Du dein Zeug hier auch noch hinschmeißt? Heb’s auf!“

Sie: „Aber…“

Ich: „Kein aber! Wenn es hier so Scheiße aussieht, was willst du dann hier?“

Jetzt hatte ich sie! Sie drehte sich um, ging die drei Schritte zurück und hob ihren Kaffeebecher auf. Schnell zogen die Mädels weiter, die Straße hinunter. Ich blieb bewusst stehen und starrte den dummen Dingern aus der Kategorie „Arschl*chkind“ nach. Erst als ich sah, dass der Becher wirklich im Mülleimer verschwunden war, ging ich weiter.

Also ehrlich: wenn es hier so Scheiße aussieht, was wollen die dann hier?? Ich würde mich bedeutend wohler fühlen, wenn hier nicht Tag und Nacht rumgegrölt , die Bierflaschen auf die Gehwege geworfen würde, sich Leute um Parkplätze prügeln und ihre Hunde zum Abkacken hier ausführen würden. Ich brauche auch keine Berge gefüllter Mülltüten vor vermeintlichen coolen Kneipen.

Ich bitte ausdrücklich um Entschuldigung für die Verwendung von Wörtern aus der Fäkalsprache. Ich bin halt noch wütend!

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9 Antworten to “Winterspaziergang in Friedrichshain”


  1. 1 karu02
    9. Januar 2011 um 14:22

    Meine Zustimmung hast Du! Und meine Bewunderung für die Durchsetzung Deines Befehls. Als meine Kinder noch klein waren, haben sie sehr darauf geachtet, dass nichts weggeworfen wurde. Sie sind dann immer den Leuten hinterhergelaufen, haben brav das Weggeworfene überreicht mit den Worten: Du hast was verloren. Das habe ich ihnen nicht beigebracht, haben sie von selbst so gemacht. Ich glaube nicht, dass es heute noch Kinder gibt, denen das überhaupt auffällt, so selbstverständlich scheint es geworden zu sein, einfach alles fallen zu lassen. Ich verstehe Deine Wut sehr gut.

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  2. 2 kormoranflug
    9. Januar 2011 um 15:46

    Mut hast Du! Für mich ist auch das größte Grauen: Kaffee TOGO, Gehbier, Gehlimö, Gehbierlimo etc.
    Mir ist vollkommen schleierhaft warum das „cool“ sein soll. Nur weil die Preise in den Clubs zu hoch sind und man vorglühen will kann das doch nicht zum coolen Outfit werden.

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  3. 9. Januar 2011 um 15:59

    Hier stehen zwischen den aufgetauten Hundescheißhaufen und Böllerleichen (beides lässt sich kaum voneinander unterscheiden) auch noch ausgediente Fernseher, kaputte Schränke und zerfledderte Sofas rum. Und nach Moabit kommt das Streichorchester der BSR scheinbar erst dann, wenn im Rest von Berlin nix mehr zu kehren ist.

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  4. 4 Thomas
    9. Januar 2011 um 18:29

    Erstaunlich, dass sie dann so brav ihren Müll entsorgt hat. Sonst erntet man eher noch ein paar dumme Sprüche. Vermutlich hing es mit Deinem Blick zusammen; den hätte ich in dem Moment gerne mal gesehen :-)
    Ansonsten, es ist wirklich unglaublich, wie die Leute sich draußen verhalten. Man müsste viel häufiger was sagen…

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  5. 9. Januar 2011 um 19:20

    Sehr mutig, find ich gut und wünsche, dass die Ergebnisse Deines Mutes nicht mal ins Auge gehen.

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  6. 6 richensa
    9. Januar 2011 um 19:50

    @karu, es scheint wirklich usus zu sein, dass hier viele Besucher alles fallen lassen. Wenn sie ja wenigstens die Flaschen für die Glassammler irgendwo hinstellen würden!

    @kormoran, die Leute hier scheinen auf alle Fälle genug Geld zu haben, es in überteuerten Läden zu lassen… es bleibt die Hoffnung, dass der Wedding endlich der Trendbezirk wird ;-)

    @vilmos, bei uns stehen genau dieselben Stilleben auch noch herum, reiche das Foto dazu nach, direkt vorm „käpt’n a müller“, der so genannten Trendkneipe. Aber auch bei uns kommt die bsr erst vorbei, wenn Mitte oder der Kuh’damm schicki gebürstet ist. Ob vor oder nach Moabit könnten wir in einer Feldstudie herausfinden!

    @thomas, ich habe mich im Nachherein auch gewundert, aber schließlich hatte ich mich ja „in Wut gelaufen“..

    @bilderbuch, keine Bange, einem 2-m-Typ mit Springerstiefeln würde ich nicht anpampen, da kenne ich meine Grenzen doch auch ;-)

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  7. 9. Januar 2011 um 20:48

    Das Tauwetter bringt das Grauen an den Tag – und schon beginnt der alltägliche Slalomlauf. Nicht, dass ich die Vorzüge der Kehrwoche preisen will, aber manchmal ist mir das dann doch lieber.
    http://wassily.wordpress.com/2009/02/26/friedrichshain-dogville/

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  8. 9. Januar 2011 um 22:09

    Hut ab vor der Courage!

    Die Annahme, Mitte wäre besser dran, mag ich widerlegen. Bei einer Stadtführung durch das schicke Scheunenviertel ist heute tatsächlich jeder Teilnehmer in einen aufgetauten Hundehaufen getreten, was den Fortgang des Rundgangs erheblich verzögert, und die unschuldige Färbung des Rest-Schnees sehr unromantisch modifiziert hat.

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