Es gibt in Berlin ja viel zu sehen, eine Binsenweisheit. Dass dazu auch das Neue Museum zählt, habe ich ja schon vor etwas mehr als einem Jahr hier geschrieben. Inzwischen war ich mehrfach dort und habe längst noch nicht alles gesehen. Und das wird wohl auch so auf absehbare Zeit bleiben, alleine, weil so dermaßen viel ausgestellt wurde.
Es ist extrem schwierig, einen kurzen Gesamteindruck zu beschreiben, zu sehr hin- und hergerissen fühle ich mich jedes Mal, wenn ich durch die gestylten Räume gehe. Insgesamt würde das Gebäude an sich, ganz leer, wohl immer noch das höchste Lob bekommen, denn es ist ja an sich das größte Exponat. Die Restaurierung, die fast überall die Kriegsschäden als Wunden im Gebäude sichtbar lässt, verdient wirklich höchsten Respekt hinsichtlich der Konzeption und der Umsetzung.
Schwierig für mich ist dann der „Rest“: drei Museen in einem Gebäude, die Raumkonzeption lehnt sich eng an die Aufteilung und den Rundgang der Erbauungszeit an, als das Wort „Museumspädagogik“ noch nicht erfunden war. So sind die Exponate der Ägyptischen, der Vorderasiatischen und zu Teilen auch der vor- und frühgeschichtlichen Sammlung lediglich der Ankaufpolitik der Museen und deren Mäzene bis vor dem 1. Weltkrieg geschuldet. Inhaltliche Erklärungen, syn- und diachrone Zusammenhänge zwischen den drei Hauptsammlungen sucht der Museumsbesucher vergeblich, selbst der Audioguide ist da wenig hilfreich. Ergebnisse moderner Auswertungen finden sich an keiner Stelle, weder zu Troja noch zur Nofretete. Selbst in der „Sperrholzoptik“ der Vor- und Frühgeschichte, deren Abteilung durch den Wechsel an der Museumsleiterstelle eine Vollbremsung erfuhr, lassen die Texte oftmals den Forschungsstand der 1970er durchschimmern. Fehler in der manchenteils irreführenden Beschriftung wurden auch nach mehr als einem Jahr nicht korrigiert. Noch mehr: Die Lichtgestaltung ist in allen Bereichen schlichtweg eine Katastrophe, denn der Besucher wird entweder von unglücklich angebrachten Spots geblendet oder steht vor den schicken Vitrinen schlichtweg im Dunkel der Geschichte.
Soll der Besucher nur seine 10 Euro Eintritt abgeben und darf dann bis zum Erschlaffen der Fußmuskulatur oder der Aufmerksamkeit durch die Räume laufen? Ein paar Meckereien gibt es auch noch zum Museumscafé, welches viel zu klein dimensioniert ist (ob der geplante Anbau, der Besucherempfang, Abhilfe schaffen wird, darf zu bezweifeln sein) und zu den WC-Anlagen, die ebenfalls viel zu klein und schwer zu finden sind, zumal die Behindertentoiletten immer verschlossen und somit nicht benutzbar sind.
Derzeit ist allerdings ein echter Hingucker in der lichtdurchfluteten Halle im Untergeschoss des Museums zu sehen: die Präsentation des so genannten „Berliner Skulpturenfundes“. Hierunter fallen 11 Skulpturen, die im Herbst 2010 im Bombenschutt eines Hauses in der ehemaligen Königsstraße, direkt gegenüber dem Roten Rathaus mehr als 60 Jahre lagen. Während der archäologischen Ausgrabungen im Vorfeld des U-Bahnbaus wurde sie zwischen Januar und Oktober 2010 in Teilen geborgen und vorsichtig restauriert, auch hier so, dass die Schäden durch die Bombardierung und den anschließenden Brand des Hauses sichtbar blieben. Alle Kunstwerke wurden durch die nationalsozialistischen Machthaber in den 1930er Jahren als „entartete Kunst“ klassifiziert und aus den damaligen Sammlungsorten entfernt. Schließlich wurden sie in einer Propagandaausstellung in vielen deutschen Städten gezeigt, verbunden mit übler Verhetzung ihres künstlerischen Wertes. Wie sie schlussendlich aus den Depots des Reichspropagandaministeriums in das Haus in der Königsstraße 50 gelangten, liegt noch im Dunklen. Ob sie von Erhard Oewerdieck (1893-1977), einem Treuhänder und Steuerberater, der 1941 Büroräume im vierten Stock des Hauses Königstraße 50 gemietet hatte, hierhin verbracht wurden, kann derzeit nicht geklärt werden. Oewerdiek half gemeinsam mit seiner Frau Charlotte (1903-1981) mehrdach jüdischen Mitbürgern, wofür sie beide später in Israel als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt wurden.
Auf alle Fälle ist die Präsentation der Funde mitsamt der Darstellung von Fundumständen und Interpretation genauso, wie sich ein mündiger Besucher den Museumsbesuch erwartet: informativ!
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