Mit dem Wachsen Berlins seit dem 19. Jahrhundert wurden zunehmend Dörfer und Vororte von der rasanten Bevölkerungszunahme überrollt. Sie wurden wie von einer hungrigen Krake aufgesogen, alte Strukturen verschwanden zugunsten des Netzes von Mietshäusern, auch im Bereich des heutigen Stadtteils Friedrichshain. Seit 1867 entstand hier an der Revaler Straße eine Eisenbahnwerkstatt, in der sowohl Waggons als auch Lokomotiven instand gesetzt wurden. Vor der Wende zum 20. Jahrhundert waren hier bereits mehr als 1200 Arbeiter beschäftigt, während des 1. Weltkriegs auch Frauen, die als Ersatz für die in Kriegsdiensten stehenden Männer. Seit 1920, mit der Gründung der Deutschen Reichsbahn wechselt der Name für das Gelände mit seinen Schuppen und Werkstätten von „Königlich Preußischen Hauptwerkstatt Berlin II“ in „Reichsbahnausbesserungswerk Berlin Revaler Straße“, ein echter deutscher Bandwurmausdruck!
Die Zeiten gehen dahin, es werden nach 1950 verschiedenste Güter produziert, die mit der Reichsbahn an sich wenig zu tun haben, selbst Kinderbetten entstehen hier. In den 1980er Jahren arbeiten fast 1300 Menschen hier, aber die Tage scheinen gezählt: nach den politischen Umbrüchen 1989/1990 steht relativ bald fest, dass das „R.A.W. Fran Stenzer“, wie viele andere Betriebe auch, 1994/95 still gelegt wird. 1998 konstituiert sich ein Verein, mit dem Ziel, die Hallen und Gebäude mit vielfältigem Aktivitäten wieder zu beleben. Einfach ist die Situation nicht, denn das Gelände steht nur zur Zwischennutzung zur Verfügung, wie sich in den kommenden Jahren, die durch Verhandlungen mit Tochterfirmen der Deutschen Bahn als Rechtsnachfolgerin der Reichsbahn, dem Bezirk und den Nutzungswilligen geprägt sind. Mit einer Übertragung 2007 an einen neuen Eigentümer, R.E.D. Berlin Development GmbH, scheinen die vielfältigen Nutzungen zunächst weiterhin geduldet zu werden, allerdings scheitert 2008 eine gemeinsame Weiterentwicklung, so dass seitdem einzeln mit den Nutzern verhandelt wird, aber auch die ersten Kündigungen seitens der Besitzer an den raw-tempel erfolgen. Wie es mit dem Gelände und seinen mehr als 60 soziokulturellen Projekten, den Clubs, dem Kinderzirkus, dem Kletterkegel, der Indoor-Skaterbahn, einer medizinischen Beratung, Hilfe-zur-Selbsthilfe-Projekten weiter geht, wird man sehen.
Ich drücke alle Daumen dafür, dass hier die ausschließlich kommerziellen Media-Spree-Kraken-Arme am Reichsbahnausbesserungswerk ihre Tentakeln nicht hineinbekommen!
Unterstütze dich beim Daumendrücken!
Das ist ein Juwel in F`hain und in ganz Berlin.
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Es wird ja gut angenommen, auch von den Leuten hier aus dem Kiez. Ansonsten habe ich die Hoffnung etwas aufgegeben, dass der Wille der hier Wohnenden überhaupt als politische Kraft ernst genommen wird. Die Heuschrecken der Investoren lauert im Schatten von Media-Spree, Mieten steigen leise, aber gewaltig: eine Friseurin hier erzählte letztens, dass ihre Ladenmiete von 11 €/qm auf 20 (in Worten: zwanzig euro pro qm!!!) heraufgesetzt wurde. Der Filmladen, der nicht nur die Blockbuster-Filme im Angebot hat, ist auch gegangen, die Miete….. Dafür gibt es Läden, wo man für eine Mütze einfach 25 € verlangt u bekommt.
Also bitte rrrichtig feste die Daumen drücken!
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Immer dieses Spiel:
Die Szene erobert ein vergessenes Quartier, füllt es mit Leben & Kreativität, dann rücken die Investoren, Spekulanten und Stadtplaner an und machen es platt – für gehobene Wohnansprüche, Bürolofts und gesichtslose Malls.
Die Karawane zieht weiter.
Dieser Kreislauf muß irgendwann mal druchbrochen werden.
Standhaft Bleiben !
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Danke für den Hinweis, so habe ich ein paar Hintergrund-Infos zu dem Gelände. Diesen von Dir fotografierten Teil habe ich allerdings nicht gesehen. Einiges war abgesperrt.
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Na, dann passen doch unsere Artikel gut zusammen, jeder hat die eigenen Eindrücke auf’s Blog gebannt ;-)
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