Archiv für November 2010

28
Nov
10

Reichsbahnausbesserungswerk Berlin

Mit dem Wachsen Berlins seit dem 19. Jahrhundert wurden zunehmend Dörfer und Vororte von der rasanten Bevölkerungszunahme überrollt. Sie wurden wie von einer hungrigen Krake aufgesogen, alte Strukturen verschwanden zugunsten des Netzes von Mietshäusern, auch im Bereich des heutigen Stadtteils Friedrichshain. Seit 1867 entstand hier an der Revaler Straße eine Eisenbahnwerkstatt, in der sowohl Waggons als auch Lokomotiven instand gesetzt wurden. Vor der Wende zum 20. Jahrhundert waren hier bereits mehr als 1200 Arbeiter beschäftigt, während des 1. Weltkriegs auch Frauen, die als Ersatz für die in Kriegsdiensten stehenden Männer. Seit 1920, mit der Gründung der Deutschen Reichsbahn wechselt der Name für das Gelände mit seinen Schuppen und Werkstätten von „Königlich Preußischen Hauptwerkstatt Berlin II“ in „Reichsbahnausbesserungswerk Berlin Revaler Straße“, ein echter deutscher Bandwurmausdruck!

Die Zeiten gehen dahin, es werden nach 1950 verschiedenste Güter produziert, die mit der Reichsbahn an sich wenig zu tun haben, selbst Kinderbetten entstehen hier. In den 1980er Jahren arbeiten fast 1300 Menschen hier, aber die Tage scheinen gezählt: nach den politischen Umbrüchen 1989/1990 steht relativ bald fest, dass das „R.A.W. Fran Stenzer“, wie viele andere Betriebe auch, 1994/95 still gelegt wird. 1998  konstituiert sich ein Verein, mit dem Ziel, die Hallen und Gebäude mit vielfältigem Aktivitäten wieder zu beleben. Einfach ist die Situation nicht, denn das Gelände steht nur zur Zwischennutzung zur Verfügung, wie sich in den kommenden Jahren, die durch Verhandlungen mit Tochterfirmen der Deutschen Bahn als Rechtsnachfolgerin der Reichsbahn, dem Bezirk und den Nutzungswilligen geprägt sind. Mit einer Übertragung 2007 an einen neuen Eigentümer, R.E.D. Berlin Development GmbH, scheinen die vielfältigen Nutzungen zunächst weiterhin geduldet zu werden, allerdings scheitert 2008 eine gemeinsame Weiterentwicklung, so dass seitdem einzeln mit den Nutzern verhandelt wird, aber auch die ersten Kündigungen seitens der Besitzer an den raw-tempel erfolgen. Wie es mit dem Gelände und seinen mehr als 60 soziokulturellen Projekten, den Clubs, dem Kinderzirkus, dem Kletterkegel, der Indoor-Skaterbahn, einer medizinischen Beratung, Hilfe-zur-Selbsthilfe-Projekten weiter geht, wird man sehen.

Ich drücke alle Daumen dafür, dass hier die ausschließlich kommerziellen Media-Spree-Kraken-Arme am Reichsbahnausbesserungswerk ihre Tentakeln nicht hineinbekommen!

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24
Nov
10

Galette surprise

Ich liebe Frankreich! Und im Frühjahr 2005 konnte ich meine frankophile Ader auch etwas in der Bretagne ausleben, wobei mir klar ist, dass jeder echte, eingeborene Bretone mich teeren und federn würde, falls ich die Bretagne nach Frankreich verorten würde. Nein, nein, die Bretagne hat natürlich den Vorteil, dass ich dort Französisch sprechen kann und dennoch verstanden werde, weil aufgrund der historischen Entwicklung die französische Zentralregierung gegen Ende des 19. Jahrhunderts die französische Sprache als alleinige Amts- und Schulsprache regelrecht durchgedrückt hat. Spätestens als die Bretonen als „Kanonenfutter“ im ersten Weltkrieg in vorderster Front ohne Zahl im Sperrfeuer des deutschen Angriffs ums Leben kamen, weil sie die gebrüllten Befehle ihrer französischen Offiziere nur unzureichend verstanden, zog sich die bretonische Sprache mehr und mehr zurück. Aber dort in der „Schämdich-Ecke“ der kleineren Sprachen war sie ja in guter Gesellschaft: die irische, die walisische, die plattdeutsche und viele andere Regionalsprachen mehr standen dort schon herum, unschlüssig, ob sie nun sofort aussterben sollten oder doch lieber auf Raten, das Problem quasi aussitzend.

Nachdem die Bretagne seit den späten 1960er Jahren von Pariser Aussteigern und deutschen Französischlehrern als Ziel pseudokeltischer Sehnsüchte entdeckt wurde, bildete sich in der ursprünglich eher ärmlichen und so vermeintlich urwüchsigen Region eine gut ausgebaute Infrastruktur für Urlauber aller Art, auch für Esotheriker und Archäologiebegeisterte, die sich an jungsteinzeitlichen Steinmonumenten stunden- achwas, wochenlang delektieren können.

Wie dem auch sei, mir hat’s dort gut gefallen, obwohl ich weder Französischlehrerin, noch Aussteigerin und auch keine Esotherikerin bin. Und ich gestehe, dass ich viele dieser Steinmonumente besucht habe. Ein wunderbares, da auch gewaltig groß, ist die neolithische Megalithanlage von Barnenez im Nord-Finistère bei Morlaix. Etwa 80 m lang, bis zu 8 m hoch und mehr als 20 m breit liegt dieser gewaltige Steinhaufen, der elf Grabkammern beinhaltet, die über Gänge durch das künstliche Steingebirge zu erreichen sind. Diese Kammern wurden aus großen Steinplatten gesetzt, die zum Teil mit symbolhaften Gravierungen versehen sind. Darüber wurden dann mit abertausenden, vielleicht sogar Millionen von Granit- und Schieferplatten der Hügel aufgebaut. Nachdem dieses einzigartige Monument in den 1950er Jahren beinahe als Steinbruch geendet wäre, was man ihm auf der Nordseite auch ansieht, wurde er als „Monument classé“ eingetragen und hat in den 1990er Jahren eine Art Besucherzentrum mit kleinem, aber feinem Museum bekommen. Der Eintritt war mit 5 € nicht ganz preiswert, aber das Gelände will ja auch unterhalten werden, das Unkraut vom Cairn, wie das riesige jungsteinzeitliche Grabmal auf französisch heisst, gejätet werden.

Cairn de Barnenez

Holländisches Pärchen versucht, das Monument mit einem mitgebrachten Zollstock zu vermessen

Aber bevor wir uns den Cairn de Barnenez anschauen konnten, mussten wir leider die Mittagspause des Museumspersonals aussitzen, so dass wir im nächsten Örtchen in einer kleinen Gastwirtschaft zu Crêpes und Galettes einkehrten. Ich entschied mit in einem Anfall Urlaubsübermut für die Galette surprise, einen Buchweizenpfannkuchen mit Überraschung.

 

Galette surprise, im Hintergund Breizh Cola

Tja, und so setzte sich die Überraschung zusammen: dünner Pfannkuchen, doppelt gelegt mit gedünstete Apfelstücken gefüllt, oben ebenfalls mit Apfelstücken belegt, in der Mitte eine Scheibe Blutwurst drapiert, darauf, und das war die zweitgrößte Überraschung, eine Kugel Vanilleeis. Die größte Überraschung war aber, dass es ungewöhnlich, aber überaus lecker geschmeckt hat.

20
Nov
10

Hot toddy

Nach einem langen Tag in den nebelgrauen, kalten und unendlichen Weiten Brandenburgs kam ich zurück nach Berlin. Durchgefroren war es, obwohl heute der Wind gar nicht so stark war, trotz Mütze, Überlebensjacke und Handschuhen. Und so schnell, wie ich mir das an einem Samstag nachmittag vorgestellt hatte, kam ich auch nicht nach Hause, denn die jährlich stattfindende Gedenkdemo für Silvio Meier lief gerade in meinem Viertel ab. Polizei, so weit das Auge blicken kann, Demonstranten habe ich nicht gesehen, nur die hohe Frequenz von Glasscherben auf den Straßen ließ ihre Anwesenheit vor nicht allzu langer Zeit vermuten. Parkplätze waren schwierig in Hausnähe zu bekommen und so trottete ich einige Zeit später leicht missmutig durch die Dämmerung gen Heimat.

Die innere Kälte hatte trotz erneuter Bewegung mitsamt meiner Umhängetasche, dem gefüllten Rucksack, der Arbeitsschuh-Tüte und der Kamera nicht ganz nachgelassen. So dachte ich über heilsame, wärmende Getränke nach und diese schottische Variante eines Grogs ließ meine Laune wieder steigen.

Hot Toddy besteht pro Portion aus heißem Wasser, etwa 2 cl Whisky, einer halben, dafür etwas dickeren Scheibe Zitrone, die mit drei bis vier Nelken gespickt wurde und etwa1 TL brauner Zucker. Die Gläser, vorzugsweise Tumbler (die ich nicht besitze) vorwärmen, Wasser erhitzen, Zitrone vorbereiten, Whisky auswählen.

Den Zucker in das Glas geben, Wasser aufgießen, etwa zwei bis drei Daumenbreit, dann die nelkige Zitrone zugeben, zum Schluss den Whisky einfüllen, etwa 3 min ziehen lassen, heiß genießen, Foto nicht vergessen!

Die wärmende und entspannende Wirkung stellt sich sofort ein.

Schottisches Hausmittel gegen aufziehende Erkältungen

16
Nov
10

Fundstück, oh lecker!

Eigentlich sitze ich am Rechner, um für eine liebe Kollegin, die demnächst Geburtstag hat, ein Bild für die Geburtstagkarte in dem tiefen Fundus meiner Festplatten zu suchen. Ehrlich gesagt hat die Bilderflut die Menge erreicht, bei der es sich vielleicht doch lohnen täte, mit einem ordentlichen Programm die Bilder mit tags und ähnlichem suchbar zu machen. Wie dem auch sei, ein besonders leckeres Fundstück will ich einmal hier zum „Leben“ erwecken.

... selbst in der Erinnerung köstlich....

Es ist kein selber gebackene Schokoladensünde, sondern bei einem Bäcker in Les Eyzies in der Dordogne im Südwesten Frankreichs erstanden. Wir saßen nach unserem Ausflug am Ufer der Vézère, die nach nächtlichen Regenfällen im September auch etwas bräunlich daher floss und ließen uns die Herbstsonne auf die Nase scheinen.

Am frühen Morgen waren wir, nach Anmeldung, durch eine der wenigen noch für die Allgemeinheit zu besichtigenden Höhlen mit altsteinzeitlicher Malerei gelaufen, durch Font-de-Gaume. Es war ein absolut überwältigendes Erlebnis, sich den auf den Felsuntergrund gezeichneten Mammuts, Wildpferden und Wisenten so zu nähern, dass man sie jederzeit hätte berühren können. Geführt von Archäologen oder Archäologiestudenten erlebten wir die Tierwelt der späten Eiszeit ganz nah und die Gänsehaut, die mir so manches Mal den Rücken herunterlief, hatte nichts mit der Temperatur im Inneren des Höhlensystems zu tun.

Später liefen wir durch Les Eyzies-de-Tayac-Sireuil und fanden den kleinen Bäckerladen mit einer älteren Dame hinterm Tresen, die sich gerade anschickte, die letzten Baguettes zu verkaufen und zur Mittagspause zu schließen.

Doppeltes Glück, die Voranmeldung vom Vortag für Fond-de-Gaume hatte geklappt und die süße Belohnung hinterher…

 

... hier Nuss und Karamell pur...

15
Nov
10

Feierabend!

Woran ich heute merkte, dass es definitiv Zeit wurde, Feierabend zu machen und damit wirklich abzuschalten?

Daran, dass ich die Supermarkt-Tür mit meiner Auto-Fernbedienung aufsperren wollte…  und wirklich in dem Moment überzeugt war, dass genau durch mein Drücken der Fernbedienung das Aufschwingen der automatischen Tür geschah…

Scary!

07
Nov
10

Perlenkette

Die Sonne ging nur zögernd auf, dann strahlte sie aber umso schöner über die rauhbereiften Wiesen. Selbst die inzwischen braunen Blütenstände des Rainfarn (Chrysanthenum vulgare) auf den Brachflächen waren von Eiskristallen  gesäumt Weiterlesen ‚Perlenkette‘

04
Nov
10

57, 3 Meilen oder „nichts als die Wahrheit“

Fünf Freunde waren wir, damals, 2002 in Irland, fünf Charaktere. Bis auf Frank waren die restlichen vier das erste Mal auf der sturmumtosten Insel. Und wir wollten unsere beiden Wochen gut ausnutzen, uns viel anschauen. So haben wir sicherlich einen Rekord aufgestellt, was den Besuch von „standing stones“, „stone circles“ und ähnlichem anging, pro Tag versteht sich! Weiterlesen ’57, 3 Meilen oder „nichts als die Wahrheit“‘




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