Gestern in Ostwestfalen: eine verwegene Truppe, ausgerüstet mit Rosen-, Hecken-, Astschere und Motorsäge macht sich in eine grüne Hölle auf: meines Vaters Garten! Seit Jahren hat er sich dem Ansinnen, Bäume, Büsche oder anderes Grünzeug zu stutzen heftigst widersetzt. Ob die Apfelbäume vor lauter Wassertrieben keine Äpfel mehr hatten, egal. Da sie nicht mehr ordentlich trugen, die alten Bäume mit den wunderbaren Äpfeln wie Dülmener Rose, Jakob Lebel oder Ontario, wurde mit dem Pflanzen von weiteren Jungbäumen zwischen die alten begegnet. Dass auch die dann nicht ordentlich trugen, wurde mit dem Argument, dass sie noch zu klein seien, begegnet. Ob die Himbeeren vor lauter Grünzeug nur noch wenige Früchte trugen, nebensächlich. Lieber wurde mit einer Menge Draht und selbst gezimmerten Stützen, alles irgendwie angebunden. Mein Vater ist, so leid es mir tut, das zu schreiben, ein Grünzeug-Messi! Der Garten wurde zwar immer grüner, aber man konnte kaum noch ein paar Meter weiter gehen, ohne irgendwelches Gestrüpp an der Hose oder Zweige im Auge zu haben.
Seit einiger Zeit hat mein Vater nun eingesehen, dass seine Strategie nicht zum gärtnerischen Erfolg führt. Dummerweise waren inzwischen die Blautanne, die anno 1963 das Weihnachtszimmer schmückte zu einer Größe herangewuchert, dass sie der Kastanie von 1971, dem Birnbaum von ca. 1960 und dem Gülderling von ca. 1935 jedwedes Licht nahm. Er hatte inzwischen seinen Widerstand gegen das Projekt „Sichtachsen“ aufgegeben. Vor sechs Wochen hatten meine Schwester und ich in einer ersten Aktion den Zugang zur Sitzecke samt Hollywoodschaukel aus dem Walnussbaum frei geschnitten, die unteren Äste der Kastanie einem Zugang zum hinteren Bereich des Garten geopfert und ein erstes Vorgespräch zu dem Apfelbaumdschungel mit unserem Vater geführt. Nun sollte das stärkere Geschütze aufgefahren werden (s.o.). Kurz und gut, zwei Container à 3 m³ Nadelgehölz haben wir geschafft, eine weitere Schneise durch den Forsythienhain am hinteren Ende des Grundstücks und einen Weg durch die Apfelbaumwildnis.
Die Belohnung:
2 kg Brombeeren
2 Körbchen Champignons
Fallobst
zwei Handvoll Zwetschgen
Kaffeetrinken mit selbstgebackenem Kuchen im Garten
Muskelkater.
Die Brombeeren habe ich heute zu kernloser Marmelade verarbeitet, der angefallene Kerntrester schlummert in Kandis-Wodka-Umgebung seiner Vollendung zu einem Brombeerlikör entgegen. Die Pilze sind auch schon Geschichte…
Da wäre ich gerne dabei gewesen mit meinen Scheren. Ich schneide so gerne, zum Schrecken meines Gärtner-Gatten, der eine ähnliche Neigung hat, wie Euer Vater. Ich bin auch für Licht- und Sichtachsen und weiß, dass es dem Gehölz gut tut, solche zu schneiden. Inzwischen darf ich auch mehr, weil sich gezeigt hat, es ist richtig, alles wächst und gedeiht viel besser, wenn es genug Licht bekommt.
Schön, dass Ihr Euren Vater und das Grün bezwingen konntet. Lasst es Euch schmecken, was als Belohnung übrig blieb.
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Schön grün, in der Tat. Und nächstes Jahr gibt’s dann wieder Äppel?
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