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Perlzwiebelchen?

„Perlzwiebeln?“ Mit dem befehlsgewohnten, preußischen Kommandoton eines Fräulein Rottenmeiers erschreckte uns die Dame mit der blondierten Betonfrisur, als meine Schwester und ich, nichts Böses oder gar die Existenz jener Perlzwiebeln ahnend, aus dem Gang mit dem Frühstückscerealien auf den Hauptgang des Einkaufszentrums im Hannoverschen einbogen. Wir müssen sie etwas überrascht angeschaut haben, denn sie wiederholte ihr Ansinnen, noch etwas fester im Stimmfall. Nein, sie wollte nicht von uns wissen, wo hier die Perlzwiebeln zu finden sind, sie wollte uns aus dem gewürzigen Sud eines Gurkenglases das anbieten, was noch unten im trüben Gestrüpp von Dill, Senfkörnern und zerschredderten Paprikas vor sich hin schwamm. Wir hatten wohl nicht schnell genug abgeleht, denn sie angelte wieselflink die „schlüpfrigen Scheißerchen“ (Filmzitat aus den späten 1980er Jahren) in einen Becher und reichte uns, die wir nicht schnell genug in den nächsten Gang davon gehuscht waren, eine kleine Plastiggabel.
„Iss‘ lecker..“, sagte die Frau. Meine Schwester schaute zweifelnd auf das Biotop auf dem Boden des Plastikbechers und versuchte, eine Perlzwiebel aufzuspießen. Sie probierte und reichte mir, ohne eine Miene zu verziehen, den Becher. Nun gut, was sie kann, kann ich auch!
Während ich noch mit der kleinen Zwiebel beschäftigt war, holte die Dame mit der gut sitzenden Frisur ein noch gut gefülltes Glas hervor, in dem noch Gurken oberhalb der Perlzwiebeln aus dem Glas strebten.
„Gurke?“ Dieses Mal waren wir gewappnet, schüttelten beide schnell den Kopf. „Die sind aber nicht aus dem Spreewald, oder?“ fragte ich zaghaft. „NEIN! Die sind aus Uelzen!“ „Ahh… na dann nehme ich sie lieber doch nicht.“ (Herrschaft, ich werde langsam zum Beute-Ossi!)
Schnell gingen wir den Gang weiter, die bohrenden Blicke der Dame merkten wir kaum. Aber dass sie die nächsten Kunden mit ihrem unnachahmlichen Schnarren und „Perlzwiebel?“ gestellt hatte, hörten wir noch.
Puh, was für ein Laden: ein paar Minuten später sahen wir eine von einem Draht aufgespießte Pappmöwe an der Gemüseabteilung vorbeischweben. Sie gehörte zu einer Art Lieferfahrrad, auf dessen Serviertablett eine kleine Gruppe blasser Käsewürfel zusammengeduckt saß. Ein Mann schob das Fahrrad durch die Gänge und bot die Pröbchen an. Als ich sein betont fröhliches „Käääsewürfel???“ hörte, schnappte ich mir lieber noch eine zweite Flasche Sekt für den Schwestern-Abend und ging schnell zur Kasse. Als ich mich aus der Warteschlange vor der Kasse noch einmal umsah, waren die Perlzwiebeldame und der Käsewürfelmann mit Möwe in ein intensives Gespräch vertieft.

... schweigend in's Gespräch vertieft, als ne Pappmöwe aufgespießt, auf dem Fahrrad Schlittschuh lief...

... schweigend in's Gespräch vertieft, als ne Pappmöwe aufgespießt, auf dem Fahrrad Schlittschuh lief...

Hätte noch jemand versucht, mir den „Wachturm“ anzudrehen oder Stützstrümpfe, hätte es mich auch nicht gewundert. Zum Glück kann man aber beides nicht essen!


14 Antworten to “Perlzwiebelchen?”


  1. 1 donqyxote
    18. Juli 2009 um 15:41

    Super, danke für die oberhalb der Perlzwiebel aus dem Glas strebenden Gurken !

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  2. 2 uleuno
    18. Juli 2009 um 19:06

    schöne Geschichte! Habe neulich ganz was ähnliches erlebt ;-)

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  3. 18. Juli 2009 um 21:32

    Jaja, das Gemüse des Grauens. Eine Geisterbahn der Gratispröbchen. Gut, daß Du da heil wieder rausgekommen bist!

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    • 4 richensa
      18. Juli 2009 um 22:47

      Lakritze, dat sachma!
      Gurken lauern um die Ecke… Möhren lachen schäbig… Paprika singen schmutzige Seemannslieder… mhmm….

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  4. 5 6kraska6
    19. Juli 2009 um 15:42

    Ich weiß gar nicht, was Ihr alle gegen die armen Perlzwiebelchen habt! Die sind doch ganz lecker! Beim Fondue z. B. gehören die zur Beilagenpalette! Oder ist man Spießer, wenn man Käsewürfel und Perlzwiebelchen mag? Sind die total out? No go? Äh bah?

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    • 6 richensa
      19. Juli 2009 um 17:40

      Lieber kraska,

      natürlich habe ich gar nichts gegen Perlzwiebelchen. Nur dass man als Kunde offensichtlich erst das probieren sollte, was sich im zwielichtigen Gestrüpp auf dem Grunde des Gurken-Mischgemüseglases verborgen hielt, fand ich eben… ÄH BAH! Fies und gemein, no-go, geht gar nicht und so weiter…

      Suche gerade noch das Handybild mit der aufgespießten Möwe zum Illustrieren des Artikels..
      hab’s gefunden! Juhuuu!

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  5. 7 6kraska6
    20. Juli 2009 um 17:27

    Ach so. Aha. Und ich wollte schon googeln, was derzeit einer essen darf, wenn er kein Spießer sein will…

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  6. 26. Juli 2009 um 00:42

    Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen Perlzwiebeln und Silberzwiebeln? (Ernst gemeinte Frage!)

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    • 9 richensa
      26. Juli 2009 um 15:51

      Lieber Eichi,

      tja, bis zu dem Zeitpunkt, als ich deine Frage las, hatte ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht.
      Dann habe ich mir Gedanken gemacht und bin nur zu einem „weiß ich nicht..“ gekommen.
      Als nächstes bin ich zum Bücherregal gegangen und habe einmal wieder bei
      Udelgard Körber-Grohne, Nutzpflanzen in Deutschland (Theiss-Verlag, Stuttgart 1987) nachgeschaut, aber auch dort nur bedingt ab S. 260 fündig geworden.
      Schlussendlich habe ich mit einem Seufzer bei Wikipedia nachgeschaut und zur Perl- und Silberzwiebeln zielführend fündig geworden.
      Die Perlzwiebel ist demnach eine Unterart des Ackerlauchs, der (Körber-Grohne 1987, 269) vom Wilden Sommerlauch Mittel- und Ostasiens abstammt. Die Silberzwiebel ist eine besonders kleine Zwiebelart, die laut wikipedia die schützende Außenhaut fehlt und demzufolge zumeist als Einlegegemüse im Handel zu finden ist.
      Ich hoffe, die Frage ausreichend beantwortet zu haben. Nun sind wir beide wieder etwas schlauer!

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  7. 26. Juli 2009 um 23:19

    Ich danke Dir ganz herzlich für Deine Mühe. Du musst wissen: Ein sehr schöner Cocktail ist der „Gibson“, eine Martini Variante, die anstelle einer Olive eine ….Perl….Silber…..halt kleine Zwiebel in das Glas vorsieht.

    Der feige Franz Brandl (Cocktaibuchbestsellerautorübebewertet) schreibt in seinem Rezept nur hinterhältig: cocktail onion (es ist ein deutschsprachiges Buch).

    Nun gut. Perlen, Silber….Hauptsache der Drink wird geschmeidig. Thanx again.

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  8. 26. Juli 2009 um 23:21

    Hmmm, das schmeckte noch nicht angemessen. Lass mich noch rasch einen Barlöffel „RR“ zufügen. Für die Übe(r)Bewe(r)tung….

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  9. 12 joulupukki
    4. August 2009 um 22:49

    Na, dann freu Dich schon mal auf die EU-frrrrischen Island Wochen. Ein Pröbchen Gammelhai gefällig? (-> vor 2 Tagen in der Reykjaviker Markthalle erlebt)

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  10. 13 richensa
    5. August 2009 um 22:12

    Und? Hast du ihn probiert, den Stinkefisch??

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