Achja, das Klapprad! Es ist neuerdings das Fortbewegungsmittel der coolen Friedrichshainer oder Prenzlauerbergbewohner, oder zumindest derer, die sich dafür halten.
Ich kann da natürlich nur mit den Schultern zucken, denn ich kann dem Ganzen irgendwie noch nicht so recht das Trendige abgewinnen. Eigentlich kann das wahrscheinlich kaum einer, der in den 1970er und 1980ern mit so einem Gefährt durch die Gegend fahren musste und sich die Seele aus dem Leib gestrampelt hat.
Aber die, die damit heutzutage herumfahren, waren damals ja oft noch gar nicht geboren, so! Und die finden die 70er Jahre Klamotten auch so toll, weil sie nie mit einem “Karel-Gott-Kragen” in der Schule sitzen mussten und ihn, den Kragen, zutiefst verabscheuten.
Mein Klappfahrrad, welches ich zu meinem fünften Weihnachtsfest von der versammelten Verwandschaft geschenkt bekam, war ein dunkelgrünes der Marke “Lipperstolz”. Meine Mutter war auf ihre Idee sehr stolz, denn das Fahrrad wuchs ja schließlich mit dem Kind mit: einfach nur die Flügelschrauben lösen, Sattel und Lenker ein Stück herausziehen und wieder ein neues Rad gespart. Eine Weile ging das auch gut, bis spätestens nach dem Abschluss der Grundschule die Tochter greinte und weinte, weil sie nicht mehr mit dem 20-Zoll-Rad hinter den anderen her strampeln wollte, die alle eines mit der Rahmengröße von 26 oder gar 28 Zoll ihr eigen nannten. Lange Diskussionen, die mit einem elterlichen “aber das ist doch noch fast wie neu!” endeten und einem töchterlichen Geflenne. Endlich wurde das grüne “Lipperstolz” doch noch zugunsten eines großen Rades in die Ecke des Kellers verbannt. Und blieb dort etwa 15 Jahre. Das große Rad hatte mich in meinen Studienort begleitet und wurde kurz vor dem Studienabschluss Stück für Stück, Rad für Rad geklaut. Mein erster Job, angetreten drei Tage nach der Magisterprüfung führte mich auf den Sattel meines „Lipperstolzes“ zurück. Mit einem Korb auf dem Gepäckträger und Sattel- und Lenkerstange bis kurz vor Ende herausgezogen. Die Flügelschraube des Sattels hielt nicht mehr so richtig, so dass sich nach einer Weile Knie und Kinn unbeabsichtigt annäherten und ich den Sattel wieder hochstellen musste.
Und dann geschah das Unglaubliche: jemand wollte mir mein Rad, welches ich nur für SEKUNDEN vor dem Bäcker abgestellt hatte, entwenden! Ich habe vor Wut geheult, als es verschwunden war! Tränenblind ging ich Richtung Arbeitsstelle zurück, und dann sah ich es vor der Apotheke: die Sattelschraube hatte wieder versagt, der Sattel war ganz heruntergerutscht, für Fünfjährige passend. Schnell nahm ich das Rad wieder an mich und fuhr mit hochgestelltem Sattel davon! Heute steht das Rad wieder bei meinem Vater in der Garage, denn es ist zu kostbar, um es in Berlin den Gefahren der Großstadt auszusetzen.
Der Verleih in Friedrichshain folgt einfach der Manie um die kleinen Gefährte. So richtig gepflegt wirken die Räder nicht, der Lack ist abgestoßen, etwas rostig sind sie auch, wie sie da auf dem Bürgersteig in Reih’ und Glied stehen. Mich hat es nicht wirklich gereizt, mir eines der Gefährte auszuleihen, denn so gesehen bleibe ich meinem “Lipperstolz” doch irgendwie treu.
Der Laden ist “offen wenn offen”, vorbestellen kann man ein Rad per mail oder per Anruf. Das Verleihgeschäft ist mit einem Webstore Berliner Designer gekoppelt, die sicherlich dann auch das Zielpublikum für die coolen Räder zu finden wissen.
Krossener Straße 17
10245 Berlin
+49 179 8229117
klapprad-berlin.de
Öffnungszeiten: „offen wenn offen“
„Offen, wenn offen“ gefällt mir! ^^
Und die Geschichte hat mich auch wieder an mein oranges Klapprad dieser Jahre erinnert. Und wie neidisch ich war auf meinen Nachbarn, der auf seinem Klapprad einen langen gebogenen Sattel hatte und einen Schaltknüppel für die Gänge auf der Querstange und nicht zu vergessen die lange Teleskopstange, die hinter dem Sattle befestigt in die Höhe stand und ganz oben hing so ein Felldings Marke Waschbärschwanz. Und blitzblau wars auch noch! Fuhr sich wie eine Harley in Klappradversion. *seufz* Ich wills ihm immer noch klauen!
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Das hört sich aber eher nach einem „Bonanzarad“ an, das der Nachbar fuhr… meines war allerdings auch nur das ordinäre echte Klappdings.
Vor nicht allzulanger Zeit konnte ich ein grünes Bonanzarad hier in Friedrichshain fotografieren, seine Besitzerin war sehr stolz darauf und bewachte es mit Argusaugen.
Sie hatte wahrscheinlich von deinen unschönen Absichten gehört ^^
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Oh, das ist also der Fachbegriff? „Bonanzarad“? Dankeschön, man lernt nie aus! ;o)
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Jaha, denn soweit ich weiß, kann man ein „Bonanza“-Rad nicht zusammen klappen.
Ein Klapp-Rad hingegen schon ;-))
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